SOMMER

Sonne, Himmel, Wind,

Wie der reife Sommer,

Eine Melone.

Es ist Sommer. Der Sommer warm und großzügig. Rund und still. Reif wie eine runde Wassermelone. Im Frühling schweigsam in der kalten Erde gekeimt und durch die Wärme der Sonne im Sommer gereift. Wie unsere Wunden. Wie unsere Narben. Wie die Augenblicke der Trauer. Wie alle Momente der Freude in einem einzigen Moment. Ja, alles ist miteinander verbunden und gleichzeitig ist alles vergänglich. Und dennoch ist alles immerwährend vollständig vorhanden. Wie die inhärente perfekte Rundheit, einer jeden noch so imperfekten Melone. Wie der Körper des Sommers, der trotz seiner formlosen Gestalt eine gesamte Erdhemisphäre gleichzeitig umhüllt. 

Und dennoch… dennoch sprechen uns leider manche Leute immer noch das Recht ab an etwas zu glauben. Als hätten sie das Nichts verstanden sprechen sie uns die Fähigkeit ab in etwas reines zu vertrauen. Vielleicht, weil sie das Wort Reinheit missdeuten. Vielleicht denken sie, dass die Reinheit ein Zustand sein sollte an dem es vor allem darum geht mit den weltlichen Dingen dieser Welt sich selbst nicht zu beschmutzen. Doch irgendwie vermag ich diesem Gedankengang nicht ganz zu folgen.  Zu viele Traditionen haben bereits erkannt, dass es keine Reinheit im Äußeren geben kann, ohne sich der eigenen Schatten im Inneren bewusst zu werden. Vielmehr liegt also eine Instrumentalisierung nahe. Es ist ja zwar banal doch aber auch sehr wirksam etwas nicht verstanden haben zu wollen und gleichzeitig aber aus dem eigenen Weltbild heraus zu urteilen. Wie sonst ließe sich die Anklagebank eines Prangers erklären? Schuldig! Vielleicht geht es doch nur darum um anschließend sagen zu können: Bekenne! Bereue! Und mit welcher Freude viele dann, als wären wir noch im Mittelalter, an dem Pranger teilnehmen! Erschreckend apokalyptisch ist dann das Bild, dass am Ende übrig bleibt: als wäre die Vernunft nur ein Instrument ohne Anstand, ohne Menschlichkeit, ohne Wahrheit und blind für die eigene Angst, merken die Ankläger nicht, dass die Schlinge um den eigenen Hals gelegt ist und sich immer enger zieht. Es ist zum Schreien: Mensch, erkenne dich! Erkenne endlich, dass die Kriege, die ungerechte Verteilung, die Umweltkrise und die Flucht eine und dieselbe Ursache haben: Die Projektion nach Außen unserer im Inneren unreflektierten Angst.    

Würde ich nicht an den Frühling glauben, wie könnte ich mich dem Sommer noch vollständig anvertrauen? Der Sonne, dem Wind, dem Himmel, der Stille? Und wenn ich es nicht täte, würde ich mich dem Sommer nicht völlig hingeben, wäre es als würde ich mich selbst verneinen. Als würde ich die Erfahrung des Gleichgewichts verleugnen. Es wäre als würde ich behaupten, dass es keine Entsprechung zwischen der Inneren und der Äußeren Welt gäbe, als würde ich sagen, dass „gut“ und „schlecht“ nur zufällig aufkommende Begriffe seien, völlig aus dem Zusammenhang gerissen, ohne jegliche Vorgeschichte, völlig unschuldig und unvorbelastet. Als würde nicht jedes Wort, ja jegliches Symbol eine eigene Welt in sich enthalten, als würden sie keine weitere Fragmentierung der Wirklichkeit bewirken können und damit eine entscheidende Verzerrung der Wahrnehmung und damit der Wahrheit verursachen. 

Es ist also nicht so, dass wir im Zen Buddhismus nicht an etwas reines glauben würden. Es ist auch nicht so, dass wir der Wissenschaft und ihren Fakten kein Gehör schenken würden. Mehr noch, sollte die Wissenschaft eine Lehre des Zen Buddhismus als unwahr beweisen, sollte die Zen Praxis ihre Lehren korrigieren. Darüber hinaus ist es aber auch so, dass nach unserem Verständnis die wahre Reinheit sich jenseits der Dichotomie Rein – Unrein befindet. Eine Ebene, die sich Aufgrund des dualistischen Charakters des intellektuellen Denkens einer besonderen Form der Praxis, des Trainings bedarf. Wir lassen von Vergleichen ab, vom Streben nach jeglicher Art von Gewinn, völlig auf die Körperhaltung und die Atmung konzentriert üben uns in Prajna. Prajñā übersetzt aus dem Sanskrit bedeutet Weisheit. Die eine große umfassende Weisheit, die alle Dinge und Phänomene im ganzen Universum durchdringt. Die Sonne, den Wind, den Himmel, die Stille, den Sommer und eben auch eine große reife Melone.

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FRÜHLING

Unsichtbar der Wind,

Unter dem blauen Himmel,

Pink ist die Blüte.

Wenn es den wahren Frühling nicht gäbe, dann gäbe es keine bunten Farben mehr, dann gäbe es keine immer frischen Düfte. Das Einzige was es dann gäbe, wäre ein Bund chemischer Verbindungen. Ein Einheitsbrei, dass keine unterschiedlichen Geschmäcker, Empfindungen und Wahrnehmungen mehr zuließe. Die Hoffnung gäbe es dann auch nicht mehr, denn der Frühling wäre dann nur noch die Folge des Winters und die Ursache für den Sommer. Alles wäre dann damit berechenbar. Sogar die Stille. Dann wäre der Frühling wahrlich gleich dem ewigen Winter. Kalt. Grau. Und düster. 

Nein. Der wahre Frühling ist nicht gleich einem bloß gestellten Lächeln. Es ist nicht eine neue Form des Konformismus. Es ist keine Rechtfertigung für das Unrecht. Es ist viel mehr als ein schlaues Monster geschaffen durch die inneren Aversionen. Denn ich spreche vom wahren Frühling der inneren Wege. Spontan, unsicher, ungewiss und flüchtig und doch überall präsent und in allem gegenwärtig. Der Frühling in dem der Wind keine bestimmte Farbe hat und die Sonne sogar in der Dunkelheit jeden noch so kleinen versteckten Winkel erreicht. Der Frühling also der absolut Alles ist: die Erde, dass Wasser, das Feuer die Luft gleichzeitig aber auch der Winter, der Sommer und der Herbst. Der Frühling der Vielfalt also. Der Frühling des Gleichgewichts. 

Und doch. Was wäre der wahre Frühling ohne den Frühling der einfachen Pflanzen und Blüten, ohne den Frühling der Blumen die keinerlei Bewunderung bedürfen, ohne den Frühling der Wörter, dem Frühling der Herzen? Was wäre der wahre Frühling, gäbe es die Sehnsucht nicht, die Hoffnung nicht, die Unordnung, den Traum, das Delirium? Dann kämme der wahre Frühling einer Fahne gleich. Einer Fahne für die sich lohnen würde zu kämpfen, zu sterben und notfalls sogar auch zu töten. Ich frage mich wieviel Unrecht in Namen des wahren Frühlings nicht schon begangen wurde, wieviel wird noch geschehen und bemerke, dass im Hier und Jetzt das geschichtliche Gedächtnis sich von selbst auf natürliche Art und Weise aktualisiert. So viele Erzählungen kommen auf einmal spontan in mir auf. Geschichten, die ermahnen. Über die Verfolgung, über die Lüge, über die Vertreibung. Ich frage mich wie viele Frühlinge werden vergehen, bis wir wirklich akzeptieren, dass wir zwar unweigerlich miteinander verbunden sind, ja, dass wir aber auch gleichzeitig einzigartig und verschieden sind?  

Wahr oder unwahr, wer den Frühling wirklich erfahren möchte solle wissen dieser lässt sich sehr gut aus der Stille betrachten. Denn der Frühling und die Stille haben eines gemeinsam, dass sie verbindet, dass sie durchdringt, dass sie erst vollkommen macht. Es ist die Vergänglichkeit. Der ewige Wandel, der in allen Dingen Inne wohnt ist auch in der Stille und im Frühling ausgiebig vorhanden. Sowohl in einem alten Blatt, der jetzt erst nachgibt nachdem es nicht nur den Herbst, sondern auch den Winter standgehalten hat, als auch in den neuen Blüten, die voller Leben die Ankunft der warmen Jahreszeit bekunden. Ja, alles hat einen Platz im Frühling. Sogar die Unterscheidung zwischen dem wahren Frühling als auch den sogenannten unwahren, den Frühling der Wörter, denn im Grunde ist er, der Frühling, seit dem Anfang ohne Anfang bis zum Ende ohne Ende, ganz und gar ohne Grenzen. Endlich ist es Frühling.

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ZEN UND DIE VERNUNFT

Ein Vogel, ein Mast.

Er lauscht und alles ist still.

Kühler Wintertag.

In der Tiefe der Wälder, innerhalb der durchlässigen Grenzen der authentischen Stille, dort wo die Laute der Zivilisation sich in den Zweigen, im Rascheln der Blättern sich verfangen, dort wo die vielen Bäume, Lichtungen und Gewässer einen einzigen Körper bilden, ist jede noch so unbedeutende Bewegung bis in den kleinsten Winkel des Umlandes frisch und allgegenwärtig vorhanden. Im feuchten Laub, welcher den Boden bedeckt, im Moos, dass auf den Stämmen der Bäume grünt, in den Nadeln der höchsten Bäume als auch in den Steinen und sonstigen Hindernissen um die das Wasser seine Bewegung fortsetzt. Ja, das Geräusch eines Gewässers, dass mitten durch einen Wald fließt bedarf keiner Übersetzung. Es überbrückt jede Form, jede Gesinnung, jedes Geschlecht. Welcher Hautfarbe es auch sei, welcher Religion auch immer. Die Sprache des Flusses ist für alle gleichermaßen zugänglich, sei es Mensch, Pflanze oder Tier. Allen ist sie im Grunde vertraut, bekannt. Ist das so, weil das Geräusch eines jeden Gewässers eigentlich die Ausdrucksform des eigenen Blutes ist, des eigenen Mutterleibs? Ich kann es nicht beweisen und ich weiß es nicht sicher.  Sehr wohl aber vermute ich es, denn irgendwie ergibt es einen Sinn für mich. Weil es mich berührt, weil es mich beruhigt. Weil es irgendwie mir tief vertraut ist. 

Was hat Zen nun mit der Vernunft zu tun? Hängt davon ab, was wir als vernünftig betrachten, sage ich mir. Und tatsächlich betrachte ich die Vernunft als die Norm, als die Meinung der Mehrheit, als das Befolgen der Regeln der Allgemeinheit, als das was im gesellschaftlichen Sinn als Erfolg gilt, hat Zen nicht viel mir der Vernunft zu tun. Betrachte ich die Vernunft aber als ein authentischer aufklärerischer Akt, als ein wahrhaftiges Bemühen um Wahrheit ohne Eigennutz im Sinn, als eine fortdauernde Infragestellung dessen was offenkundig ist und als eine kontinuierliche Ergründung dessen was uns noch unbekannt ist, dann fallen die Schranken im Geist, dann sehe ich keine Trennung mehr zwischen der Vernunft und einer ernsthaften Praxis der inneren Versenkung. Ja, sage ich mir, der erste Schritt zu einem umfassenderen Verständnis der Vernunft hängt von unserem Vermögen ab unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. In weiterer Folge ist auch Akzeptanz anderer Meinungen von Nöten. Oder mit anderen Worten Frieden damit zu finden, dass es in der unmittelbaren Wirklichkeit unterschiedliche Wahrheiten gleichberechtigt koexistieren. Oder nochmal anders ausgedrückt, würden wir sie noch hören, die wahre Vernunft, gäbe es die Regeln und die Normen der Mehrheit nicht? Im Wald, in der Nacht, in der Tiefe der Dunkelheit, ist das Geraschel eines Baches am lautesten zu hören wie es mir scheint.

Warum ich das alles sage? Weil es einfach nicht ok ist die eigene Identität auf Kosten von Feindbildern aufzubauen. Weil es ein Irrweg ist, weil es eine Täuschung darstellt. Eine Täuschung nicht nur an jene die uns zuhören und vertrauen, sondern auch eine Täuschung an uns selbst. Es ist nicht nur irrational, es pervertiert auch die Emotionen. Zu behaupten, dass wir alle uns im Grunde im Krieg befinden ist einfach eine Illusion, eine Lüge, und deshalb auch von vorn und von hinten nicht stimmig. Frieden schaffen mit Waffen, hört sich das etwa widerspruchsfrei, abgewogen, kohärent oder gar ausgeglichen an? Nein, das hört sich ganz und gar nicht vernünftig an, weil es von allen Richtungen betrachtet, einfach nicht vernünftig sein kann. Weder von hinten noch von vorne. Weder von der Oberfläche noch von der Tiefe. Als auch weder von der Vergangenheit aus betrachtet noch von der Zukunft. Damit will ich nicht sagen, dass es nicht vernünftig wäre wenn es nötig ist den Bedürftigen zu helfen. Ich sage lediglich, dass wir uns keinesfalls mit der Unvernunft anfreunden sollten, um Ihr Spiel besser als alle anderen zu treiben. Das ist nicht nur gefährlich, sondern unweigerlich mit Leid verbunden. Dabei steht zu viel auf den Spiel. Manche, die Vernünftigeren unter uns vielleicht, sagen: nicht nur die Zukunft des Planeten, sondern vor allem die Gegenwart.

In der Tiefe des Waldes, wenn ein Bach den Hang herunter plätschert, und das Geräusch des Wassers mit dem gesamten Wald einen einzigen Körper bildet, gibt es keine Vergleiche, kein Streben, kein besser, kein schlechter, keine Angst und damit auch kein Leid. Lediglich kontinuierliche Veränderung. Alles ist dann in Bewegung. Alles ist dann miteinander verbunden. Alles, vom kleinsten Grashalm bis zum höchsten Baum ist Bestandteil desselben Geräuschs und spricht damit ein und dieselbe Sprache. Eine Sprache, die so nah ist und so vertraut, dass ich in ihr mein Vertrauen setzen kann. Und doch bleibt sie uns so oft verborgen. Warum? Vielleicht weil unser Denken so oft voll von Emotionen, von Symbolen, von Meinungen und von Vergleichen ist? Dabei habe ich den Eindruck, dass die Sprache der Flüsse, des Waldes, die älteste und damit die authentischste Form der Sprache ist. Deshalb ist sie die Sprache der wahren Vernunft vielleicht? Ich weiß es nicht exakt aber irgendwie fühlt es sich richtig an. Das Geräusch eines fließenden Gewässers im Wald benötigt einfach keiner Übersetzung. Es ist nichts abstraktes, nichts worüber sich debattieren ließe und doch ist seine Klarheit direkt erfahrbar. Denn irgendwie hört es sich stimmig an. Irgendwie auch vernünftig. Doch beweisen kann ich es nicht. 

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DIE STILLE


Hinter den Gittern,
Ein Bild und ein cooler Spruch.
Gewonnen? Vielleicht.

Ein Kind. Es ist voller Träume und Fragen. Es will lernen, eigene Erfahrungen machen, die Welt erkunden. Nicht mehr vorerzählt bekommen was es zu denken und was es zu fühlen hat. Es will selbst spüren, es will selbst anfassen, es will es selbst wagen. So ist das also mit dem Leben, es gibt die Freude, es gibt die Traurigkeit, es gibt den Ärger, es gibt die Liebe, es gibt die Träume und es gibt auch die Wirklichkeit. Es kommt in die Schule, wo jenseits des elterlichen Schutzes es die Regeln gibt. Geschrieben oder ungeschrieben, die Regeln setzen den Träumen Grenzen, sie weisen den Gedanken den Weg und sie machen einem mit einer bisher unbekannten Größe bekannt: die Stille.

Es gibt verschiedene Formen der Stille. Es gibt die Stille als Freund, es gibt die Stille als Feind. Es gibt die Stille der anderen und es gibt die Stille in einem selbst. Es gibt die Stille des Friedens und es gibt die Stille der Gewalt. Die Stille der Gewalt, nenne ich die Stille als Feind. Das ist die Stille die entsteht, wenn die eigenen Gefühle, Gedanken und Fantasien gewaltsam zum Schweigen gebracht werden. Darum wird sie die Stille der Gewalt genannt. Diese Form der Stille hat sehr viel mit den anderen zu tun. Wie werde ich akzeptiert, was ist gerade angesagt, wie verhalten sich die anderen, wie verhalte ich mich selbst. Die Stille der anderen hat also sehr viel mit meiner eigenen Stille zu tun, denn um den anderen zu entsprechen bin ich sehr oft selbst still. Oder tue ich mir Gewalt an? Die Stille der anderen, welche die Stille in einem selbst ist, hat also oft mit Gewalt zu tun.

Ich sage oft, denn oft ist es so, doch dass heißt nicht, dass es immer so sein muss. Es gibt nämlich noch eine andere Form der Stille und das ist die Stille die dort beginnt wenn die Gewalt zu Ende ist. Wenn die Trennung zwischen mir und den anderen aufgehoben ist. Darum nenne ich sie die Stille als Freund. Es ist die Stille des allgegenwärtigen Friedens, die Stille der unbeschreiblichen Zufriedenheit. Die Stille der Dankbarkeit. Diese Form der Stille gibt es also auch. Es ist die Stille, dass wie die unterste Schicht eines Gemäldes ist und allen Dingen in einem Bild als Grundlage dient. Wie die Luft, dass allgegenwärtig großzügig vorhanden ist. Die Stille, die überhaupt nicht still ist, weil sie im Gegensatz zu rein gar nichts steht. Weder zum Lärm, noch zur Freude, noch zur Traurigkeit, noch zum Ärger, noch zur Liebe, noch zu den Regeln, noch zur Wirklichkeit. Auch nicht zur Wirklichkeit? Auch nicht zur unmittelbaren Wirklichkeit welche sich jenseits des Begriffs befindet, die Wirklichkeit, welche die Bewegung des Lebens selbst ist? Ja, selbst zur Wirklichkeit steht diese Art der Stille nicht im Widerspruch, denn diese Form der Stille und die der unmittelbaren Wirklichkeit sind im Grunde nur unterschiedliche Aspekte ein und der selben Realität.

Eine Schweigespirale ist eine besondere Art der Gewalt. Sie arbeitet still und leise, ähnlich wie die Korruption. Sie ist konstant und verschwiegen wie ein eingeschworenes Network. Wie eine böse Brüderschaft der Nichts oder nur wenig nachgewiesen werden kann, weil sie die Korruption wie ein Hochleistungssport betreibt. Ständig sich verbessernd, immer das Neue in sich absolvierend in dem Glauben verloren, die Demokratie wäre ein Mittel zum Zweck und der Zweck die Diktatur der Mehrheit. Ganz und gar wie eine alte und allgemein bekannte Verschwörungstheorie. Das macht sie schwer greifbar: sind es die anderen oder bin ich es selbst? Sobald die Zweifeln beginnen, wirkt sie bereits. Im selben Augenblick wie die Unsicherheit hineingedrungen ist, beginnt sich die Spirale des Schweigens sich schon zu drehen, denn mit den Zweifeln ist der Kampf schon da. Automatisch setzen wir unsere Rüstung auf. Defensiv, furchtsam oder auf Angriff eingestellt. Das Kind in uns, mit seinen Träumen, seinen Fragen, seinen Fantasien, seiner Kreativität und Sensibilität bleibt dabei gefangen, es verkümmert, in manchen Fällen stirbt es sogar. Ist das die Art von Erziehung die wir wollen? Ist das die Zukunft, welche wir unseren Kindern möglich machen wollen? Egoismus, Besitztum, Führung, Dominanz? Nein. Diese Art der Erziehung käme gleich unseren Kindern unsere Ignoranz auferlegen zu wollen, denn nichts anderes ist der Kampf. Der Kampf ist etwas von uns künstlich geschaffenes, eine Art mentaler Verwirrung die durch den ständigen Lärm in unserem Inneren entsteht. Lärm, in der Meditation ist ein Synonym für Trennung, für das abgelenkt sein. Beispielhaft dafür ist die Dichotomie Lärm und Ruhe. Der Lärm ist aber nicht der Gegensatz zur Ruhe, dies ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir fügen den Wörtern eine Bedeutung hinzu, welche auf außenstehende Begriffe aufgebaut ist. Wir sagen Lärm und definieren es als das Gegensatz zur Ruhe. Die Illusion der Trennung entsteht. Tatsache ist aber, dass der Lärm und die Ruhe lediglich unterschiedliche Fragmente ein und der selben Wirklichkeit sind. Nicht im Zusammenhang ergeben die Fragmente ein ganz anderes Bild als das was die Wirklichkeit in jedem Augenblick offenbart. Sprich, unsere Gedanken und das was sich wirklich abspielt verlaufen nicht synchron. Das Denken ist immer in Begriffen und Erwägungen verloren: Ist das gut? Ist das schlecht? Wem wundert es so noch, dass die Dinge immer anders kommen als erhofft?

An dieser Stelle möchte ich deutlich sagen, dass die Lehren des Zen nicht auf Kolonialisierung aus sind. Wie könnte es denn anders sein, wenn alle Fragmente Teil des zusammenhängenden Bildes sind? So ist in unserer Praxis die Tür immer offen, sowohl zum hineinzukommen aber auch um hinauszugehen. Die Praxis des Zen ist kein Wettbewerb. Und schon gar nicht einer bei dem es etwas zu gewinnen gäbe. So wird jeder Glaube auf natürliche Art und Weise respektiert, denn absolut alles was es gibt ist ein Ausdruck des Lebens das wir teilen. Und doch ist es auch wichtig zu erwähnen, dass es nicht richtig wäre, die Meditation als eine Art Zufluchtsort in einer besseren Welt zu verstehen. Die Praxis des Zen hat nichts passives an sich, es ist nicht ein es sich bequem einrichten und tatenlos zusehen wie alles um uns geschieht, weil alles eigentlich fein ist so wie es ist. Zen zu praktizieren bedeutet nämlich, immer und immer wieder das unterscheidende Denken abzulegen um so zu handeln wie es die Situation gerade verlangt. Auf diese Weise, in dem Ausmaß wie die Praxis in uns reift, beginnen wir uns mehr und mehr mit dem zu harmonisieren was um uns geschieht. Mit anderen Worten, indem wir ganz bei dem sind was wir tun schützen wir das Kind. Indem wir unser Leben auf Basis dieser Praxis selbst gestalten erziehen wir es. Das Kind von Außerhalb, dass auch das Kind in uns ist. Mit all seinen Träumen, seinen Hoffnungen, seinen Enttäuschungen und seiner Furcht.

Nein, die Stille ist nicht das Gegenteil vom Lärm. Die Stille ist die Sprache der Natur, das Geräusch einer lodernden Flamme, das leise dahin plätschern eines Baches. Die Stille ist das hin und her treiben des Windes. Die Stille ist die Sprache der Erde, die uns stumm auffordert: Mensch erkenne dich selbst!

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ZWANZIG

Ob hell oder dunkel,
Der Horizont ist weit weg.
Wellen hin und her.

Eines Tages sagte der Beamte Jiku zu Meister Chosa Keishin (1):

– Wenn ein Regenwurm in zwei Teile zerschnitten wird, bewegen sich beide Teile. Ich frage mich: In welchen dieser Teile befindet sich die Buddha Natur des Wurms?

Meister Chosa Keishin erwiderte:
– Täusche dich nicht.

Der Beamte fragte: Wie lässt sich erklären, dass sich beide Teile fortbewegen?
Meister Chosa Keishin entgegnete:
– Die Elemente Wind und Feuer haben sich nur noch nicht aufgelöst.

Der Beamte Kiku wusste darauf keine Antwort. Da rief der Meister mit lauter Stimme nach ihm, und er antwortete:
– Ja?

Meister Chosa Keishin sagte:
– Diese natürliche Reaktion ist dein ursprüngliches Leben nicht wahr?

Der Beamte Jiku erwiderte:
– Selbst wenn wir jetzt das Fragen und Antworten schließen würden, gäbe es keinen zweiten Meister für mich.

Meister Chosa Keishin sagte:
– Ich kann dich heute nicht kaiserlich nennen.

Der Beamte Kiku sagte:
– Wenn das deine Meinung ist, werde ich aller Fragen und Antworten bei dir aufgeben. Denkst du denn, dass ich nicht mein eigener Meister bin?

– Meister Chosa Keishin erwiderte: Ob du mir antwortest oder nicht, ist nicht wichtig. Sich aber Sorgen darüber zu machen, ob man antwortet oder nicht, ist seit ewigen Zeiten die Hauptursache von Leben und Tod.

Dann verfasste er ein Gedicht:

Die Ursache dessen, dass die Übenden des Buddha-Weges die Wahrheit nicht erkennen,
liegt darin, dass sie nur ihren unterscheidenden Geist erkennen,
Doch das war seit ewigen Zeiten die Ursache von Leben und Tod,
Die Törichten aber glauben, er sei ihre ursprüngliche Natur.

Kommentar
Alle Bemühungen in der Praxis des Zen sind auf diesen einen Punkt gerichtet der jenseits der Unterscheidungen ist. Dort wo sich jeder Widerspruch auflöst, sogar die mysteriösesten Rätseln, wo aus der Leerheit die Weisheit entspringt. Es wird behauptet Albert Einstein hätte Mal gesagt, dass die Dunkelheit nicht existiere, weil sie eigentlich die Abwesenheit von Licht sei. Aus dieser Behauptung wurden viele weitere Ableitungen gemacht, doch irgendwie habe ich es mir damit schon immer schwer gemacht. Zunächst schon mal weil ich absoluten Wahrheiten gegenüber gelernt habe skeptisch zu sein aber auch weil ich mich schon immer gefragt habe, was wohl mit dem Licht wäre, gäbe es die Dunkelheit nicht. Angenommen es gäbe keine Dunkelheit und nur noch das Licht, würden wir dann noch wahrnehmen können was das Licht ist? Würden wir es dann noch messen können? Gäbe es dann überhaupt noch so etwas was als Licht bezeichnet werden könnte? Also vielleicht wäre es genauso angemessen zu sagen, dass es das Licht gibt weil es die Dunkelheit gibt. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wie dem auch sei, Recht oder Unrecht, die Frage allein gibt Grund für Spekulation, für Zweifel, für Diskussion, unter Umständen vielleicht auch für Streit. Wären wir spätestens an dieser Stelle nicht schon wieder bei der Dunkelheit, der Umneblung zumindest des Geistes angelangt? Hätten wir uns da nicht schon vom wahren Licht distanziert, der sowohl im Äußeren als auch im Inneren strahlt, vom Licht der bedingungslosen Akzeptanz, vom Licht des Gleichgewichts? Ich entdecke die fließenden Grenzen, die Grautöne und das Licht genauso in der Dunkelheit sein kann wie in der Dunkelheit das Licht. Also schließe ich nichts aus sondern nehme sowohl die Dunkelheit als auch das Licht als unterschiedliche Aspekte dieses Augenblicks war. Nichts Fixes sondern verschiedene Phänomene, die sich von Augenblick zu Augenblick in Folge des allgegenwärtigen Prozesses wechselseitiger Abhängigkeit konstant verändern.

Ähnlich weist der Meister die Frage seines Schülers zurück und lehnt es ab darüber zu spekulieren, in welcher Hälfte eines geteilten Wurmes sich die Buddha Natur befinde. Als Jiku auf die Beantwortung der Frage besteht, antwortet Meister Chosa er solle verstehen, dass die physischen Elemente Wind und Feuer sich noch nicht aufgelöst hätten. Jiku scheint dies nicht zu verstehen und um seinem Schüler doch noch zu helfen, ruft der Meister Jikus Name laut. Dieser Antwortet spontan: „Ja?“. Jiku glaubt etwas begriffen zu haben und stimmt der Aussage des Meisters zu, dass unser natürliches Verhalten unser „ursprüngliches“ Leben sei. Dies tut er mit den Worten: „Selbst wenn wir jetzt das Fragen und Antworten einstellen würden, gäbe es keinen zweiten Meister für mich“. Doch ist in seiner Aussage nicht Unsicherheit zu erkennen? Und genau diese Unsicherheit ist Meister Chosa nach, der Grund für Leben und Tod. Auch wenn es Jiku nicht gefällt, auch wenn er es gerne anders haben wollen würde, seine Unsicherheit ist zu erkennen und damit auch der unterscheidende und ausschließende Geist. Ein Geist der identisch ist mit dem Geist der Sehnsucht und der Unzufriedenheit, welcher verursacht, dass wir Dingen hinterher jagen oder den Dingen davon rennen. Der rastlose ewighungrige Geist der es unmöglich macht bis zu uns selbst vorzudringen. Bis zu dem was unsere wahre Natur ist.

Manche Menschen glauben, dass es nicht möglich sei frei von Unterscheidungen zu leben und deshalb unser wahrer Geist eher eine Utopie ist. Dass frei von Unterscheidungen und Kategorien zu leben hieße schwach, ängstlich oder zumindest ziellos zu sein. Es reiche nicht um in einer Welt zu überleben in der die Medienwirklichkeit nicht identisch ist mit der unmittelbaren Wirklichkeit. Es genüge nicht um jenen die Stirn zu bieten, die ohne Skrupeln konsequent die Tatsache ausnutzen, dass im Bezug auf die Medienpräsenz eine schlechte Nachricht besser ist als gar nicht in den Medien zu sein. Jenen, denen jedes Mittel recht ist und sogar die Würde verletzen wenn es sein muss. Es verlange Macht und Mut dazu um die Pressefreiheit, die Demokratie und die Freiheit bewahren zu wollen. Doch wer das sagt hat noch nicht verstanden, dass es unsere Pflicht ist den Totalitarismus schon im Aufkeimen zu entlarven, die Güte ist nämlich nicht echt wenn sie nicht frei und spontan ist. Wie könnte er/sie wissen was es wirklich heißt frei von Unterscheidungen zu sein?

Was sind wir, wenn wir uns nicht über Dinge, die außerhalb von uns sind identifizieren? Was sind wir jenseits von Dingen wie: Religion, unserem Alter, unserem Geschlecht, unserem Besitz, unserem Beruf, unserer Familie oder unserer Nationalität? Was sind wir, wenn wir aufgehört haben den Dingen davon- oder hinterher zu rennen, sodass der Einatmung nur noch die Ausatmung folgt? Was sind wir wenn wir bis zum Ursprung vorgedrungen sind? Der Anbeginn aller Zeiten ist gleichzeitig das Ende der Zeit. Der Punkt wo Alles beginnt wo aber auch Alles aufhört. Dort wo das Leiden seinen Ursprung hat, wo die Gier, die Wut und die Ignoranz beginnen, wo sie aber auch aufhören. Dort wo der Sommer, der Herbst, der Winter und der Frühling sowohl der Winter als auch der Frühling sind.

(1) Koan nr. 20 aus: Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit -Dogen Zenji´s Sammlung von 301 Koan

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CHIE – DAS PARAMITA DER WEISHEIT

LEJANÍA

Von hier, von dort.
Aus der Ferne betrachtet,
Gibt es keine Kluft.

CHIE, oder die Weisheit ist das Meer in welches die fünf Strömungen der Freigiebigkeit, Geduld, Energie, Disziplin und Samadhi münden. Es ist die Intuition. Das reine Wissen, dass aus der vertikalen Ausrichtung der Haltung von Zazen entsteht.

Eine Empfindung, ein Wissen, welches uns aus dem Inneren wissen lässt, dass das Gleichgewicht die eine Kraft ist, welche unsere innere mit der äußeren Welt eint. Mit anderen Worten ist die Weisheit die tiefste Lehre im Zen Buddhismus überhaupt. Die höchste Doktrin. Die Lehre, die es ermöglicht jegliche Illusion zu transzendieren. Das Licht der Wahrheit selbst, welches uns klar erkennen lässt welche Handlungen heilsam sind.

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ZENJO – DAS PARAMITA DER KONZENTRATION

Die Trübung

Die Stimme des Tales ist Buddhas weite und lange Zunge,
die Form der Berge nichts anderes als sein reiner Körper. Eihei Dogen

In der Praxis von Shikantaza – „Nur Sitzen“ – bedeutet sich zu konzentrieren nicht die Achtsamkeit auf etwas bestimmtes zu fokussieren und sich vom Rest der Welt abzutrennen. Es bedeutet auch nicht sich selbst in einen besonderen oder tiefen Zustand der Euphorie oder der Trance zu versetzen. In der Praxis von Zaren sitzen wir einfach. Das heißt, dass unabhängig von welcher Geisteserscheinung im Geist aufkommt, wir präsent bleiben völlig in Einheit mit dem Hier und Jetzt. So verstanden ist in der Lehre von Meister Dogen die Zazen Praxis nicht ein Mittel zum Zweck, sondern der Zweck selbst. Zazen in allen Einzelheiten der Haltung umfasst in sich das gesamte Buddha Dharma und zwar direkt. Hier und Jetzt ist Zazen das Licht der Wahrheit selbst. Und weil dies so ist, kehren wir immer wieder mit der Aufmerksamkeit zur körperlichen Haltung, der Atmung und dem Geist im Hier und Jetzt zurück.

Im Shobogenzo Genjo Koan sagt Meister Dogen, einer der zwei Begründer der Soto Zen Schule:

„Den Buddha Weg zu ergründen, heißt sich selbst ergründen. Sich selbst Ergründen heißt sich selbst zu vergessen. Sich selbst zu vergessen heißt eins mit den zehntausend Dingen sein. Eins mit den zehntausend Dingen sein heißt Körper und Geist von uns selbst und Körper und Geist der Welt um uns fallen zu lassen. Die Spuren des Erwachens ruhen im Verborgenen, und die im Verborgenen ruhenden Spuren des Erwachens entfalten sich über einen langen Zeitraum“.

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SHOJIN – DAS PARAMITA DER ENERGIE

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Gestalt und Essenz,
Treffen sich auf dem Wasser.
Alles vorhanden.

Shojin oder Virya Paramita auf Sanskrit, ist das Paramita der Energie.

Sho bedeutet: rein, fein. Jin hat die Bedeutung von: weiterkommen, Fortschritte machen. So ist im Kontext der buddhistischen Tugenden unter Energie jene Kraft gemeint, die
erfahren wird wenn durch die Großzügigkeit, Disziplin und Geduld unsere Praxis zu einem Stadium der aktiven Offenheit gelangt. Also hat das Paramita der Energie mit der Kraft zu tun die uns zur Praxis geführt hat, der Motivation den Weg fortzuschreiten und der Energie uns immer weiter in Richtung auf das was rein und tadellos ist zu bewegen. Die Energie, die dazu führt dass dem Herbst der Winter folgt und dem Winter der Frühling, der Sommer und wieder der Herbst. Die Energie eines Samens der keimt, anschließend zu einer Blume wird, die später blüht bis sie verfällt, ohne dass es dabei einer äußeren Anerkennung oder eines Vergleichs bedarf.

Also unterscheidet sich das buddhistische Verständnis dessen was die Energie ist, von dem was wir für gewöhnlich im Alltag denken dass die Energie ist. Shojin, Energie, bedeutet nämlich nicht so hart und so lange wie möglich zu arbeiten, weil wir uns etwas zu erreichen erhoffen. Vielmehr ist die Energie im buddhistischen Sinne eine Tugend, die unweigerlich mit der Aktivität des Loslassens einhergeht. Wir lassen unsere geerbten Wertvorstellungen los, unsere darauf basierenden Träume, unseren Kummer, unsere Schuld, unsere Unschuld, unser Wissen und unser Gewissen und beginnen uns dem Leben zu öffnen so wie es ist. Wir kommen in der unmittelbaren Wirklichkeit des Hier und Jetzt an. Die Trübung hört auf, die Stille erscheint.

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DREIUNDVIERZIG

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Die Form ist die Leerheit und die Leerheit ist die Form. Und doch ist die Form die Form und die Leerheit die Leerheit. Eihei Dogen – Makahannya Haramitsu

Als Meister Kiso Chijo aus dem Kisu-Tempel auf dem Berg Ro gerade dabei war, Gras zu mähen, traf der Meister eines anderes Tempels ein. Da bemerkten sie beide in ihrer Nähe eine Schlange. Ohne zu zögern, zerteilte Meister Chijo sie mit der Sichel in zwei Teile.

Der Meister des anderen Tempels sagte:
– Dein Ruf ist mit seit langem bekannt, doch nun sehe ich, dass du nur ein Mönch mit groben Benehmen bist.
Meister Chijo entgegnete:
– Bin ich grob, oder bist du es?
Der andere Mönch fragte:
– Was meinst du mit „grob“?
Meister Chijo stieß die Sichel in den Erdboden, den Griff voran.
Der andere Meister sagte:
– Was ist „nicht grob“?
Meister Chijo tat so, als würde er eine Schlange töten.
Der andere Meister sagte:
– Vielleicht hast du Recht. Ich werde deinem Beispiel folgen.
Meister Chijo erwiderte:
– Ich werde dir erlauben, eine Zeit lang meinem Beispiel zu folgen. Aber verstehest du denn, warum ich die Schlange getötet habe?
Der andere Meister sagte nichts.

Kommentar
Eines der buddhistischen Gelübde lautet: „Töte nicht“. Meister Kiso Chijo wurde kritisiert, weil er in grober Weise gegen dieses Gelübde verstieß. Doch er stellte die Frage, welche Art Verhalten denn „grob“ sei. Und dann führte er ein grobes Benehmen vor, indem er die Sichel mit dem Griff voran in den Boden stieß. Das ist ziemlich unnatürlich und ohne eine nützliche Funktion, denn die Sichel wurde nicht für einen solchen Gebrauch gefertigt.
Als der andere Meister ihn bat, ein Verhalten vorzuführen, dass nicht grob wäre, simulierte Meister Chijo das Töten einer Schlange. Ein Gelübde gegen das Töten gibt es, doch in einigen Situationen kann es notwendig sein zu töten. Die Schlange stellte eine Bedrohung dar, also tötete Meister Chijo sie, ohne zu zögern.
Die buddhistische Einstellung zu den Gelübden unterscheidet sich somit von der Auffassung der Christen im Bezug auf die Zehn Gebote. Die Gebote sind nicht an eine spezielle Situation gebunden und müssen unabhängig von den konkreten Umständen befolgt werden. Die buddhistischen Gelübde hingegen sind eine Anleitung zum rechten Verhalten, und die Buddhisten befolgen sie keineswegs blindlings, denn rechtes Verhalten kann sich nur in einer konkreten Situation entfalten.

Moralisches Verhalten bedeutet nicht, ein abstraktes Konzept dessen zu erfüllen, was richtig ist, sondern einfach in der konkreten Situation „das Richtige zu tun“. Unter bestimmten Umständen kann dies bedeuten, dass wir ein Gelübde brechen. Dass heißt freilich nicht, dass ein Buddhist in Bezug auf das Einhalten der Gelübde lax sein soll.

Wenn der Körper/Geist durch die regelmäßige Praxis von Zazen ausgewogen und in seinem natürlichen Zustand ist, dann handeln wir in der konkreten Situation intuitiv und richtig. Die Gelübde wirken wie eine Landkarte des Terrains, sie sind aber nicht das Terrain selbst.

Aus: Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit – Dogen Zenji´s Sammlung von 301 Koan. Kommentare von Gudo Wafu Nishijima Roshi, 2005, O.W. Barth Verlag.

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NAGARJUNA

Perlabrillante
Das einsame Licht in der Weite des Alls ist frei von Dunkelheit.
Überall erstrahlt der Wunsch erfüllende Juwel – Keizan Jokin

Koan

Der vierzehnte Patriarch war der Ehrwürdige Nagarjuna. Als der dreizehnte Patriarch, der Ehrwürdige Kapimala, eine Einladung des Naga Königs angenommen hatte, erhielt er von diesem einen Juwel, der jeden Wunsch erfüllen konnte. Nagarjuna fragte ihn: “Dies ist der kostbarste aller Juwelen. Hat er eine Form oder ist er formlos?” Kapimala erwiderte: Bisher kennst du nur Form und Formlosigkeit und weißt nicht, dass dieser Juwel weder Form hat noch formlos ist, ja das er überhaupt kein Juwel ist”. Als er das hörte, wurde Nagarjuna tief erleuchtet.

Hintergrund

Meister Nagarjuna stammte aus Westindien und wurde auch „wilder Naga“ und „Höchster Naga“ genannt. Der dreizehnte Patriarch Kapimala kam nach Westindien, nachdem er ordiniert worden war und die Übertragung des Dharma empfangen hatte. Dort lebte ein Prinz namens Megeshvara, der Kapimala verehrte und in seinen Palais einlud, wo er ihm Gaben darbrachte. Der Ehrwürdige Kapimala sagte: „Der Tathagata lehrte, dass Bettelmönche sich nicht Königen, Ministern und anderen mächtigen Leuten nähern sollten. „Der Prinz sagte: „Nördlich von unserer Burg gibt es einen hohen Berg mit einer Steinhöhle. Möchte der Meister dort meditieren?“ Der Ehrwürdige Kapimala stimmte zu. Am Berg angelangt, traf er auf eine riesige Schalange, widmete ihr aber keine Aufmerksamkeit und setzte seinen Weg fort. Da verfolgte ihn die Schlange und wickelte sich um ihn herum. Kapimala jedoch übertrug die Dreifache Zufluchtnahme auf die Schlange, die ihn daraufhin losließ.

Als Kapimala an der Höhle ankam, trat ein Mann in weißer Kleidung heraus und verneigte sich vor ihm. Der Wehrwürdige fragte ihn, wo er lebe, und der alte Mann antwortete: „Vor langer Zeit war ich ein Mönch, genoss die Einsamkeit und lebte verborgen in den Bergwäldern. Gelegentlich kam ein Novize vorbei und wollte unterwiesen werden, mich störte es jedoch, ihm antworten zu müssen, und ich wurde wütend und ablehnend. Als ich starb, wurde ich als riesige Schlange wiedergeboren und lebte fortan tausend Jahre lang in dieser Höhle. Aufgrund meines Karmas habe ich nun Euch getroffen und konnte die Dreifache Zufluchtnahme vollziehen, wofür ich Euch sehr dankbar bin.“
Kapimala fragte, wer sonst noch auf dem Berg lebe. Der Alte antwortete: „Zehn Li von hier gibt es einen gewaltigen Baum, unter dem sich fünfhundert Nagas aufhalten. Ihr Anführer heißt Nagarjuna. Er predigt den Nagas den Dharma, und auch ich habe ihm schon zugehört.“

Daraufhin brachte Kapimala sein Gefolge dorthin. Nagarjuna grüßte sie und sagte: „Tief in den Bergen ist es einsam und still, und riesige Schlangen hausen hier. Warum wendet der große Weise, der Höchstverehrte, seine heiligen Füße in dieser Richtung?“ Kapimala erwiderte: „Ich bin nicht der Höchstverehrte. Ich bin hierher gekommen, um diesen weisen Mann zu treffen.“ Nagarjuna fragte sich: „Hat dieser Lehrer Gewissheit erlangt und das Auge der Erleuchtung geklärt? Ist er ein großer Weiser, der den Mahayana weiterträgt?“
Kapimala sagte zu ihm: „Auch wenn du das eben nur gedacht hast, habe ich es in meinem Geist erfasst. Entsage einfach entschlossen den weltlichen Bindungen und kümmere dich nicht darum, ob ich ein Weiser bin oder nicht.“ Da entschuldigte sich Nagarjuna und ließ sich von Kapimala ordinieren. Auch die fünfhundert Nagas erhielten die Gebote. Nagarjuna folgte Kapimala vier Jahre lang. Kapimala erhielt vom Naga-König einen Juwel, der Wünsche erfüllte, und Nagarjuna begann das Gespräch über den kostbarsten aller Juwele“, wodurch er schließlich erwachte. So wurde er zum vierzehnten Patriarchen.

Teisho von Keizan Zenji

Nagarjuna studierte verschiedene nicht-buddhistische Lehren und besaß übernatürliche Kräfte. Er besuchte häufig den Naga-Palast und sah dort die Schriften der sieben vergangenen Buddhas. Allein vom Anblick der Titel wusste er, wovon sie handelten. So belehrte er dann die fünfhundert Nagas. Die Naga Könige Naga und Upananda und viele andere waren erleuchtete Bodhisattvas. Sie hatten alle die Übertragung früherer Buddhas erhalten und ihre Schriften in Schreinen aufbewahrt. Da die in Schriften verfassten Lehren des großen Meisters Shakyamuni ihre verwandelnde Wirkung unter Menschen und Himmelswesen weitgehend erschöpft hatten, sollten sie alle im Naga-Palast aufbewahrt werden.

Obwohl Nagarjuna große übermenschliche Kräfte besaß und sich oft mit den Naga-Königen zu Gesprächen traf, war er noch kein Mann des Weges, da er nur nicht –buddhistische Schriften studierte. Nachdem er vom dreizehnten Patriarchen die Gebote erhalten hatte, wurde seine Sicht jedoch klar. Viele Menschen denken, dass Nagarjuna nicht nur der vierzehnte Patriarch der Zen-Linie war, sondern auch ein Patriarch anderer Traditionen wie Shingon und Tendai. Selbst Ying-Yang-Zukunftsdeuter und Seidenhersteller haben ihn als ihren Patriarchen angesehen, da er all diese Traditionen studiert und in jeder ein Gefolge hatte. Als er der vierzehnte Patriarch wurde, ließ er von all diesen Übungen ab, doch viele Schüler hielten ihn noch immer für ihren wahren Patriarchen; sie sind wie Dämonen und Tiere, die über die Wahrheit im Irrtum sind und nicht zwischen Juwelen und Steinen unterscheiden können. Lediglich Nagarjunas Buddha-Dharma wurde übertragen, nämlich an den fünfzehnten Patriarchen Kanadeva; alle anderen Traditionen legte Nagarjuna ab. Diese Geschichte verdeutlicht dies, denn obwohl Nagarjuna die fünfhundert Nagas belehrte, wandte er sich sofort dem Ehrwürdigen Kapimala zu, als dieser auftauchte, verneigte sich vor ihm und stellte ihn auf die Probe. Kapimala blieb ruhig und offenbarte, als er befragt wurde, die wahre Lehre zunächst noch nicht. Nagarjuna dachte bei sich: „Ist das der große Weise, der das Wahre Fahrzeug geerbt hat?“, und er fragte sich, ob Kapimala ein authentischer Meister war.

Der dreizehnte Patriarch sagte: „Es ist nicht nötig, mich zu hinterfragen. Du musst deinen eigenen Entschluss festigen, Mönch zu werden.“ Das beschämte Nagarjuna, und er wurde zu Kapimalas Schüler. Nun müsst ihr euren eigenen Entschluss festigen. Nagarjuna sagte: „Dies ist der kostbarste aller Juwelen. Hat er eine Form oder ist er Formlos?“ Nagarjuna wusste von dieser Perle, doch von Form und Formlosigkeit abzuhängen heißt, der Dualität von Existenz und Nicht-Existenz anzuhängen. Darum belehrte ihn Kapimala. Selbst wenn dies nicht der kostbarste Juwel ist, kann man dessen Wirklichkeit nicht als Form oder Formlosigkeit bezeichnen; es ist einfach ein Juwel. Das gleiche gilt für den Juwel in der Stirn des Ringkämpfers, den Juwel im Haarknoten des Königs, den Juwel unter dem Kinn des Naga-Königs und den Juwel, der in den Kleidern des Trinkers versteckt ist – sie alle sind Metaphern, für die innewohnende Buddha-Natur, doch die meisten Menschen erkennen sie nicht und können nicht sagen, ob diese Juwelen Form haben oder nicht. Tatsächlich sind diese Juwelen bloß gewöhnliche Juwelen und nicht der kostbarste Juwel des Weges. Dieser Juwel des Weges ist nicht einmal ein Juwel. Dies müsst ihr sehr genau klären.

Zen-Meister Xuansha (Gensha Shibi) sagte: „Das ganze Universum ist ein glänzender Juwel.“ Die gewöhnlichen Sichtweisen von Menschen und Himmelswesen können dies wirklich nicht erfassen. Doch auch ein gewöhnlicher Juwel kommt nicht von außerhalb, sonder erscheint im menschlichen Geist. Der Himmelskönig Shakra (Indra) benutzt ihn als Wunsch erfüllenden oder Mani- Juwel. Wenn man ihn auf eine schmerzende Stelle am Körper hält, wird diese geheilt; legt man ihn bei Sorgen auf die Stirn, verschwinden auch diese. Selbst übernatürliche Kräfte sind dem Juwel eigen. Unter den sieben Schätzen eines Weltherrschers gibt es ein Mani-Juwel. Alle Schätze entstammen daraus, und seine Nutzbarkeit ist unerschöpflich. Auch die karmischen Folgen eines Daseins als Mensch oder Himmelswesen bedingen Unterschiede und ein „überlegen“ oder „unterlegen“. Der Wunsch erfüllende Juwel der Menschenwelt wird auch Reiskorn genant. Dies ist ein wertvoller Juwel. Verglichen mit einem himmlischen Juwel wirkt er vielleicht künstlich, dennoch ist er ein Juwel. Wenn der Buddha-Dharma ausgelöscht ist, werden die Reliquien Buddhas zu Mani-Juwelen, die auf alles regnen und sich in Reis verwandeln, um den Menschen zu helfen. Auch wenn er als Buddha-Körper, als Reiskorn, als einziger Juwel oder als Myriaden von Phänomenen erscheint, sobald der eigene Geist ihn manifestiert, wird er zu diesem langen Körper, zu einer Figur mit drei Köpfen, einem Tier mit Hörnern und Fell und zu unzählbaren anderen Formen. Darum sollt ihr diesen Geist-Juwel erkennen. Such nicht die Einsamkeit in den Bergen, versteckt euch nicht wie Mönche in vergangenen Zeiten, und wie es heute wieder Menschen tun, die noch nicht vollständig erleuchtet sind. Sie denken, dass die Gesellschaft anderer und deren Geschäftigkeit sie davon abhält, die Stille zu finden; darum wollen sie allein für sich in den Bergen den Weg praktizieren und Zazen üben. Viele, die so versteckt in den Bergen leben, üben auf die falsche Weise und geraten auf Abwege. Dies geschieht, weil sie den wahren Dharma nicht kennen und sich selbst in den Vordergrund stellen. Sie behaupten: „Zen Meister Damei Fazhang (Daibai Hojo) übte Zazen in einem nebligen Kiefernwald mit einer kleinen Eisenpagode auf seinem Kopf. Meister Gusihan Lingyou (Baso Doitsu) übte in Wolken und Nebel mit Tigern und Wölfen als Gefährten. Auch wir sollten auf diese Weise praktizieren.“ Das ist wirklich lächerlich. Ihr müsst verstehen, dass diese Meister alle bereits Erleuchtung und die Bestätigung durch einen wahren Lehrer erfahren hatten. Erst danach übten sie eine Weile in der Einsamkeit, um ihr Verständnis zu vertiefen und die rechte Gelegenheit abzuwarten, selbst zu lehren. Es geschah also, nachdem Damei das wahre Siegel von Mazu und nachdem Gusihan die Übertragung von Baizhang erhalten hatte – und nicht davor, wie die Unwissenden glauben. Die alten Weisen wie Yingshan und Luoshan lebten vor ihrer vollständigen Erleuchtung niemals allein. Sie waren klarsichtige, wahre Männer von großer Weisheit und Tugend, die der Nachwelt ihren Ruhm hinterließen. Wenn ihr allein in den Bergen lebt und dort vernachlässigt, das zu durchdringen was ihr durchdringen sollt, und das zu erreichen, was ihr erreichen sollt, dann werdet ihr wie Affen sein. Das käme einem ernsthaften mangel an Buddha suchenden Geist gleich.

Wenn ihr Dharma-Auge nicht klar ist, werden diejenigen, die allein die Übung des Einsseins von Körper und Geist praktizieren, zu Shravakas und Pratyeka-Buddhas, und sie werden den Samen ihrer Buddhaschaft zerstören. Darum üben die Schüler ernsthaft über einen langen Zeitraum in einem Kloster mit einem religiösem Lehrer, um den Weg zu klären, ihre Wurzeln zu vertiefen und das Erlangte zu festigen. So folgt man den Patriarchen, insbesondere Eihei Dogen, der verbot, alleine zu üben, damit wir nicht auf auf Abwege geraten. Der zweite Patriarch Koun Ejo sagte: „Nachdem die Alten das Markt der Übung erlangt hatten, lebten sie zehn bis zwanzig Jahre lang in den tiefen Bergen, vergaßen die menschliche Gesellschaft und gaben die Welt des Schmutzes auf. In unserer heutigen Zeit kann man das kaum verwirklichen.“ Huanglang Huinan sagte: Statt in den Bergen den Weg für dich zu behalten, bis zu alt und krumm geworden bist, ist es da nicht besser, Übende in einem Kloster anzuleiten?“
Große Zen-Meister der Vergangenheit hielten nichts davon, allein zu leben. Und heutzutage sind die Fähigkeiten der Menschen noch dazu geringer als früher. Darum solltet ihr im Kloster bleiben, um den Weg zu üben und zu klären. In der obigen Geschichte hing ein alter Meister zu sehr an der Einsamkeit, und als ein junger Mönch vorbeikam, wurde er wütend und verweigerte eine Antwort. Daran erkennen wir, dass sein Körper und Geist noch nicht in Harmonie miteinander waren. Wenn man alleine lebt, entfernt vom Lehrer, wird man dem Karma seiner Handlungen nicht entfliehen können, selbst wenn man den Dharma predigen kann wie Nagarjuna. Da ihr in der Vergangenheit gute Wurzeln angelegt habt, könnt ihr Tathagatas Wahren Dharma vernehmen, der besagt, dass wir uns keinen Königen und Ministern nähern sollten. Andererseits sollen wir auch nicht allein leben. Setzt einfach fleißig eure Übung fort und konzentriert euch darauf, zur Quelle des Dharmas vorzudringen. Dies sind die wahren Worte Buddhas.

Quelle: Denkoroku. Die Weitergabe des Lichtes / Keizan Jokin. Frankfurt, Angkor Verlag, 2008

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