ZWEI

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bleibt ungetrübt,
ob im Sommer oder Herbst,
der reine See

Meister Obaku Ki-Un auf dem Berg Obaku im Ko-Distrikt fragte Meister Hyakujo Ekai:
Wenn ich die Lehre, die du uns gegeben hast mit anderen teilen möchte, wie sollte ich dann lehren?

Meister Hyakujo Ekai blieb auf seinem Kissen sitzen und sagte gar nichts.

Obaku Ki-Un fragte:
– Wie kann ich zukünftig deine Söhne und Enkelschüler etwas lehren?

Meister Hyakujo erwiderte:
– Was du gesagt hast, zeigt, dass du ein wirklicher Mensch bist.

Kommentar

Dieses Koan ähnelt in gewissen Sinne der Geschichte von der Gottheit Shakra Indra, die den Buddha fragte: „Wie kann ich diejenige beschützen, die den Dharma praktizieren möchten?“. Der Buddha antwortete mit einer Frage: „Kannst du den Dharma sehen, de du beschützen möchtest? Wo ist er? Den Dharma beschützen zu wollen, das gleicht dem Wunsche, sogar den weiten Raum zu beschützen. Die Übenden des Buddha-Weges beschützen den Dharma und sich selbst dadurch, dass sie in der Wahrheit leben.

Die erste Frage Meister Obakus war etwas abstrakt gehalten. Er suchte nach dem besten Weg, den Inhalt der Lehre des Meisters zu vermitteln. Meister Hyakujo antwortete ähnlich wie der Buddha, jedoch auf eine direktere Art: Er verkörperte selbst unmittelbar seine eigene buddhistische Praxis. Er fuhr damit fort, in Zazen zu sitzen.

Meister Obaku verstand die Absicht, die sich hinter dem Verhalten des Meisters verbarg, und so stellte er eine konkretere Frage: Wie er die Lehre in Zukunft an diejenigen vermitteln könne, die mit Meister Hyakujo keinen direkten Kontakt mehr haben würden. Meister Hyakujo antwortete darauf einfach, die Art und Weise, wie Obaku das Handeln seines Meisters verstehe, dazu die Besorgnis, was künftige Schüler angehe, zeige an, dass er ein Mann sei, der in der Realität lebe. Meister Hyakujo war erfreut darüber, dass Obaku im Hinblick auf die Sorge für seine Mitschüler und deren Nachfahren von der Ebene abstrakten Denkens zu einer praktischeren und realistischen Ebene übergewechselt war. Er hatte keinen Zweifel an dessen Fähigkeit, sein Problem zu lösen.

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ACHT

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Die dunklen Wolken
unter dem blauen Himmel.
Kommen und gehen.

Meister Baso Do-Itsu aus Kozei im Ko-Distrikt diente als Meister Nangaku Ejos Jisha (persönlicher Sekretär) und empfing im Geheimen Gautama Buddhas Geist-Siegel. Er lebt ständig im Denpo-Tempel, saß in Zazen und war der herausragendste unter Meister Nangakus Schülern. Meister Nangaku wusste, dass Meister Baso eine außergewöhnliche Fähigkeit zum Studieren des Buddha – Weges hatte.

Meister Nangaku ging zu Meister Baso und fragte ihn:
– Nun, guter Mönch, was ist deine Absicht beim Üben von Zazen?

Baso Do-Itsu antwortete:
– Ich möchte ein Buddha werden.

Nangaku Ejo hob einen Ziegel auf und fing an, ihn auf einen Stein vor Meister Basos Hütte zu polieren.

Baso Do-Itsu fragte:
– Was tust du da?
Nangaku Ejo erwiderte:
– Ich poliere diesen Ziegel, um einen Spiegel daraus zu machen.
Baso Do-Itsu sagte:
– Wie kann der Meister durch das Polieren des Ziegels einen Spiegel daraus machen?
Nangaku Ejo sagte:
– Wie kann das Sitzen in Zazen aus dir einen Buddha machen?
Baso Do-Itsu fragte:
– Was ist denn hier und jetzt richtig?
Nangaku Ejo sagte:
– Wenn ein Mann einen Wagen fährt und dieser sich nicht vorwärts bewegt, ist es dann richtig, den Wagen zu schlagen oder den Ochsen?
Baso Do-Itsu wusste keine Antwort.
Nangaku Ejo lehrte weiter:
– Wenn du Zazen studierst, dann lernt du, wie ein Buddha zu sitzen. Wenn du Zazen erlernst, ist Zen nicht wie das Sitzen oder Liegen. Wenn du wie ein Buddha sitzt, hat Buddha keine bestimmte Form. Also solltest du eine solche Methode nicht aufgreifen. Denn wenn du wie ein Buddha sitzt, bedeutet das, dass du (das Konzept von) Buddha getötet hast. Haftest du an der Form des Sitzens, hast du das Prinzip (dieses Sitzens) nicht erfasst.

Als Baso die Lehre des Meisters gehört hatte, fühlte er sich so, als habe er süßen Nektar getrunken.

Kommentare:

Gewöhnlich wird dieses Koan so interpretiert, als könne man kein Buddha werden, wenn man nur Zazen praktiziert. Doch Meister Dogens Deutung geht in eine ganz andere Richtung: Es ist die Vorstellung des absichtlichen Werdens, die er kritisiert. Wenn ein Mensch in Zazen sitzt, ist er bereits ein Buddha und kann nicht noch mal ein Buddha werden. Und das Polieren bedeutet nicht, einen Spiegel herzustellen. Es ist nur der Akt des Polierens – das Tun eines Buddha.
Was bedeutet nun die Aussage, man sei ein Buddha, wenn man in Zazen sitzt? Beim Sitzen in Zazen schauen wir der Wirklichkeit direkt ins Auge, stellen uns den Gedanken, Gefühlen und den Unannehmlichkeiten (sowohl physisch als auch geistig). Wir sehen auch, dass die Wirklichkeit erheblich mehr ist als bloße Gedanken oder nur der Körper.
Eies wahrzunehmen ist schwierig, besonders für Anfänger. Wenn wir sitzen, verspüren sie gewöhnlich Schmerz und Langeweile, also etwas, das weit entfernt ist von ihrem idealistisch gefärbten Bild von Erleuchtung oder Buddhaschaft. Doch Schmerz und Langeweile sind für sie etwas Wirkliches.
Gewöhnlich tun wir alles Erdenkliche, um vor diesem Aspekt der Wirklichkeit wegzulaufen oder ihn zu verdecken. Doch in Zazen konfrontieren wir uns unmittelbar damit. Hier kann man ihm nicht entfliehen, er muss durchlebt und erfahren werden. Wirklichkeit besteht aber nicht allein aus Schmerz und Langeweile, sondern hat manch andere und viel tiefere Aspekte. Auch ihnen begegnen wir in Zazen, stellen uns ihnen – und das, sobald sie natürlich und von selbst auftauchen.
Unsere Vorstellungen von Erleuchtung können die Dinge nicht beschleunigen, denn das unterscheidende Denken ist nichts anderes als eine dünne Oberflächenschicht über dem viel tieferen Ozean der Geist/Körper Wirklichkeit.
Meister Baso stellte dann die Frage, was er tun solle, und Meister Nangaku zog den Vergleich mit einem Ochsenkarren heran. Wenn der Ochse etwas störrisch ist, können wir ihn schlagen und dazu bringen vorwärts zu gehen. Ist jedoch das Wagenrad zerbrochen, können wir den Ochsen schlagen so viel wir wollen, und kommen dennoch kein bisschen voran. Wir sollten die wirkliche Situation berücksichtigen, anstatt unsere vorgefassten Meinungen auf die Lage zu projizieren.
Der Ochse symbolisiert den Geist oder die Geistesfaktoren, der Wagen entspricht dem Körper oder den materiellen Faktoren. Ein Idealist denkt nur daran, den Ochsen zu schlagen, und ignoriert den Wagen. Wahrscheinlich so lange, bis eines Tages eines der Räder abfällt und er in den Schlamm gekippt wird. Der Materialist hingegen denkt nur an den Wagen und wünscht sich wahrscheinlich, dass dieser gepflegt und schnell aussieht, oder er würde ihn gern mit Gold und kostbaren Juwelen schmücken. Den Ochsen lässt er unterdessen verhungern, und der schöne Wagen ist dann nicht mehr zu bewegen.
Zazen ist eine Praxis mit dem Körper/Geist – dem gesamten Dasein. Auf dem Buddha-Weg kümmern wir uns um beides: um den Ochsen und um den Wagen. Meister Nangaku ging dann dazu über, den Unterschied zwischen Zazen und dem Alltagsverhalten zu erläutern. Zazen zu studieren bedeute, zu lernen, dass man in Zazen ein Buddha ist. Beharrlich betonte er, Zazen sei etwas anderes als das Alltagsverhalten wie etwa das Sitzen oder das Liegen. Worin besteht nur dieser Unterschied? Im gewöhnlichen Leben sind wir normalerweise stark von Gedanken eingenommen und haben infolgedessen Schwierigkeiten damit, die Wirklichkeit zu erkennen. In Zazen jedoch durchneiden wir die Wolke der Gedanken, die für Dunkelheit sorgt.
Andererseits ist Zazen auch etwas anderes als unsere übliche entspannte Verfassung, insofern, als wir hierbei ein gewisses Maß an physischer Spannung und geistiger Wachheit aufrechterhalten. Meister Nangaku bestand auf diesem Unterschied zwischen Zazen und dem üblichen Leben, weil es einige Schüler des Buddha-Weges gab und noch gibt, die behaupten, das Alltagsverhalten unterscheide sich gar nicht von Zazen. Und es ist wahr, dass sich diese beiden Dinge insofern gleichen, als dass das eine wie das andere Teil der Wirklichkeit ist. Doch ist es im gewöhnlichen Leben sehr schwierig und für die meisten Menschen sogar unmöglich die Wirklichkeit klar wahrzunehmen.
In Zazen sitzen wir in der Wirklichkeit und erfahren sie direkt, wie es sonst nur selten geschieht. Diese Erfahrung verwandelt altmählich unser tägliches Leben. Wenn wir in Zazen sitzen, sind wir Buddhas. Ein Buddha in Zazen hat keine festgelegte Form. Er kann groß und blond, klein und rundlich, ein Athlet, eine alte Frau oder ein Teenager sein. Darüber hinaus hat ein Buddha in Zazen eine Vielzahl innerer Verfassungen: Er ist friedlich, ruhig, abgelenkt, gelangweilt, froh und so weiter.
Es gibt keinen Zustand, auf den wir verweisen und sagen könnten: „Dies ist es, wonach du suchst. Wenn du diesen Zustand erreicht hast, dann hast du die Buddhaschaft erlangt“. Solche Vorgefassten Meinungen sind bloße Bilder in unseren Kopf. Für einen Buddha gibt es keine begrenzte Form. Jede Person, die in Zazen sitzt, hat ihre eigene Form. Also können wir sagen, dass Zazen mit unendlich vielen Formen des Buddha geschmückt ist.
Im unmittelbaren Aufleuchten der Wirklichkeit gibt es weder Gut noch Schlecht. Da sind weder Buddhas noch keine Buddhas. Tatsächlich kann in der Praxis von Zazen kein „Buddha“ aufgefunden werden. Unsere Konzepte von Buddha werden zurückgelassen und wir sind frei, unmittelbar in der Wirklichkeit zu sitzen. Wir sind frei, Buddha zu sein.
Wenn wir an der physischen Form des Sitzens haften, indem wir uns zum Beispiel auf den Atem konzentrieren oder ein beständiges physisches Gewahrsein befördern, haben wir nicht verstanden, dass Zazen das Sitzen in der Einheit von Körper und Geist bedeutet, einen Zustand ohne eine betonte Ausrichtung, sei sie geistig oder auch physisch.

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VIERUNDACHTZIG

Eines Tages sagte Meister Ungan zu einer Versammlung: Es gibt in einer Familie ein Kind, das auf jede Frage eine erklärende Antwort geben kann.
Meister Tozan fragte: Gibt es Bücher in jenem Hause?
Meister Ungan antwortete: Es gibt keine Bücher dort, nicht einmal ein einziges Schriftzeichen.
Meister Tozan sagte: Wie ist es möglich, dass das Kind so viel Wissen erlangt hat?
Meister Ungan erwiderte: Es hat Tag und Nacht nicht geschlafen.
Meister Tozan fragte: Falls wir es nach der Wahrheit fragen, kann es darauf antworten?
Meister Ungan sagte: Selbst wenn es wüsste, wie es die Wahrheit ausdrücken könnte, würde es sie niemals aussprechen.

Kommentar

Unser natürlicher Zustand wird manchmal mit dem eines Kindes verglichen. Beide sind durch Spontaneität, Intuition sowie durch Einfachheit des Verhaltens gekennzeichnet. Es gibt nichts, was in jenem kindlichen Zustand nicht geäußert werden könnte. Diese Verfassung hat nichts mit Bücherwissen zu tun.
Meister Ungan erklärte, es gebe kein einziges Schriftzeichen im Hause des Kindes. Wie mag es dann seine Weisheit erworben haben? Das Kind habe Tag und Nacht nicht geschlafen, sagte Meister Ungan, womit er das fleißige Üben von Zazen ansprach.
Obgleich das Kind sich zu allem äußern kann, sagt es nichts über die Wahrheit. Der Grund dafür liegt darin, dass alles Sagbare die Wahrheit nicht erreichen würde und irreführend wäre. Das Kind drückt die Wahrheit eben durch sein Dasein aus, weil es nie von ihr getrennt ist.

Aus: Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit – Dogen Zenji´s Sammlung von 301 Koan – Geschichten erläutert von einem Meister der Gegenwart. 2005, O.W. Barth Verlag.

Notiz: Bedingt durch die Teilnahme am Sommerango, werden die Aktivitäten dieses Blogs wieder in Herbst forgesetzt. Gassho. Meiyo

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NEUNUNDACHTZIG

Eines Tages fragte Meister Sekiso seinen Jisha (Assistenten)
Meister Dogo sagte einmal zu einem Mönch: “Du solltest jenen Ort nicht verwerfen und keine Anhaftung an diesem Ort entwickeln.” Wie ist deine Meinung dazu?

Der Jisha sagte:
Ich verlasse mich völlig auf dein Verständnis Meister.
Der Meister fragte:
Wie ist mein Verständnis?
Der Jisha ging von der West- zur Ostseite und blieb dort stehen.
Der Meister sagte:
Du hast bloß jenen Ort verworfen und haftest an diesem Ort.

Kommentar

Meister Sekiso sagte: „Du solltest jenen Ort nicht verwerfen und keine Anhaftung an diesem Ort entwickeln.“ Der Buddha-Dharma lehrt den Mittleren Weg, der zwischen Anhaftung und Loslösung liegt. Gewöhnlich lassen wir den einen Ort mit der Absicht hinter uns, einen anderen Ort zu finden. Wir werfen sozusagen den Ort fort, an dem wir uns befinden, um einen erwünschten Ort zu erreichen. Der Buddha-Dharma lehrt uns aber, dass die Wirklichkeit dort ist, wo wir uns jetzt befinden.

Der Mönch sagte, sein Verständnis stimme mit dem des Meisters überein. Der Meister bat ihn jedoch, sein Verständnis vorzuführen. Als er seinen Assistenten einfach von dieser auf jene Seite gehen sah, erkannte er, dass dieser sich nur von hier nach dort bewegte, aber in seinem Tun keineswegs die Einheit des Daseins manifestierte.

Aus: Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit – Dogen Zenji´s Sammlung von 301 Koan – Geschichten erläutert von einem Meister der Gegenwart. 2005, O.W. Barth Verlag.

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ZAZEN YOJINKI – MEISTER KEIZAN


Es ist wichtig die Dinge aus der Sicht des Wasserstromes zu betrachten und nicht nur aus der Sicht der Wasserbläschen.

Das Zazen Yojinki, „Merkbuch für die Übung des Zazen“ stammt von Meister Keizan (1268-1325) und ist eines der bekanntesten Anleitungen zur Übung des Zazen. Die Übersetzung stammt aus dem inzwischen nicht mehr verfügbaren Buch „Dogen Zen – Kleine Schriften der Soto-Schule“ von Heinrich Dumoulin.

Zazen Yojinki (Merkbuch für die Übung des Zazen)

Zazen läßt den Menschen bald seine Geisteskraft öffnen und im ursprünglichen Bereich Wohnung nehmen. Man heißt dies das ursprüngliche Antlitz offenbaren oder auch das Licht des Urstandes aufstrahlen lassen. Leib und Geist fallen miteinander aus, losgelöst in gleicher Weise von Hocken und Liegen. Man denkt weder Gut noch Böse, transzendiert profan und heilig, überschreitet die Begriffe von Verwirrung und Erleuchtung und weilt fern der Bereiche der Lebewesen und Buddhas.

Darum laß alle Dinge ruhen, wirf alle Gegenstände von dir, tue in allem nichts und lasse die sechs Organe nicht wirken. Wer ist ein solcher? Von jeher kennt man nicht seinen Namen. Man darf ihn nicht Leib, man darf ihn nicht Geist nennen. Willst du ihn denken, so schneide deine Gedanken ab, willst du ihn sagen, so schwinden deine Worte. Er ist wie ein unwissender Tor, wie eine steile Wand, hoch wie der Berg und tief wie das Meer, du vermagst nicht den Gipfel zu zeigen, nicht den Grund zu schauen. Er beleuchtet ohne das Gegenüber von Gegenständen, sein Auge jenseits der Wolken ist klar, durchdringend ohne Denken, die Wahrheit ist licht im Schweigen und Deuten. Im Hocken übersteigt er das All, der ganze Leib ist in völliger Einsamkeit offenbar.

Der unauslotbare große Erleuchtete ist gleich dem großen Toten, keine Trübung hindert sein Auge, kein Staubkorn hemmt seinen Fuß. Wo ist etwas, das ihn beflecken könnte, was könnte ihn hindern? Klares Wasser hat ursprünglich weder Vorderseite noch Rückseite, der leere Raum kein Innen und Außen, durchsichtiger Kristall leuchtet aus sich selbst wunderbar. Wenn Form und Leere noch ungetrennt sind, wie können da Objekt und Subjekt entstehen?

Von je wohnt es mit uns, in unermeßlicher Zeitfolge gibt es keine Namen. Der dritte Patriarch und Großmeister gab einstweilig den Namen „Geist“, der ehrwürdige Nagarjuna nannte es vorläufig „Leib“. Die Form der Buddha-Natur aufweisend und den Leib aller Buddhas offenbarend, diese Vollmondgestalt, an der nichts fehlt und nichts zuviel ist: dieser Geist ist der Buddha. Das Licht des Selbst leuchtet von ehedem bis jetzt, nimmt sich wandelnd die Gestalt des Nagarjuna an und wirkt das Samadhi aller Buddhas. Der Geist hat ursprünglich nicht zwei Gestalten, der Leib zeigt vielfache Gestalt. Nur-Geist und Nur-Leib erklären weder Verschiedenes noch Gleiches. Der Geist wird sich wandelnd Leib, der Leib teilt sich erscheinend in Gestalten. Wenn eine Welle sich leise bewegt, folgen alle Wellen, wenn eine Gegenstandserkenntnis entsteht, kommen wetteifernd alle Dharma auf. Wenn sich die vier Elemente und die fünf Skandha vereinigen, erscheinen allsogleich die vier Glieder und fünf Organe. Überdies entstehen die 36 Dinge und zwölf Ursachenverknüpfungen, sie fließen dahin, wandeln sich und folgen aufeinander. Alle Dharma-Gestalten verbinden sich. Deshalb ist der Geist gleich dem Wasser des Meeres, der Leib aber gleicht den Wellen. Wie es keine Welle außerhalb des Meerwassers gibt, so gibt es außerhalb der Wellen keinen Tropfen Wasser. Wie Wasser und Welle untrennbar sind, so sind Bewegung und Ruhe nicht verschieden. Deshalb heißt es: Geburt und Tod, Vergangenheit und Zukunft sind der wahre Mensch, die vier großen Elemente und die fünf Skandha sind der unzerstörbare Leib“.

Zazen bedeutet, in das Meer der Buddha-Natur eintauchen und den Leib aller Buddhas manifestieren. Plötzlich offenbart sich der ursprüngliche, wunderbare, lautere und klare Geist, überall leuchtet das anfängliche außerordentliche Licht. Es gibt kein Wachsen noch Abnehmen des Meerwassers, die Wellen kennen kein Zurückweichen. Alle Buddhas erscheinen wegen der einen großen Angelegenheit in der Welt, lassen die Lebewesen sich dem Buddha-Wissen öffnen und in die Erleuchtung eingehen. Diese stille, lautere, wunderbare Kunst heißt Zazen. Dieses ist das Samädhi des Selbstgenusses aller Buddhas und wird auch das „königliche Samadhi“ genannt. Wenn einer einen Augenblick in diesem Samädhi wohnt, so öffnet er allsogleich den Geist; es ist in Wahrheit das Haupttor des Buddha-Weges.

Wer seinen Geist zu öffnen und zu erhellen wünscht, muß die Vielfalt von Wissen und Verstehen von sich werfen, den Dharma der Welt und den Dharma des Buddha aufgeben, alle Trübungen abschneiden. Wenn der eine wirkliche, wahre Geist in die Erscheinung tritt, so hellen sich die Wolken der Trübung auf, und der Mond des Geistes wird aufs neue klar. Der Buddha spricht: Hören und Denken weilen gleichsam in der Fremde, Zazen ist fürwahr Stillsitzen nach der Heimkehr ins Vaterhaus. Wahrlich, beim Hören und Denken kommen Lehrmeinungen nicht zur Ruhe, der Geist bleibt gehemmt, deshalb ist es wie Verweilen in der Fremde. Beim bloßen Zazen ist alles still und in Ruhe, nichts ist undurchdringlich. Deshalb gleicht es dem Stillsitzen nach der Heimkehr ins Vaterhaus.

Die Leidenschaften der fünf Verdüsterungen entstehen alle aus dem Nichtwissen. Das Nichtwissen hellt das Selbst nicht auf, das Zazen hellt das Selbst auf. Wenn einer auch die fünf Verdüsterungen ausräumt, er zählt nicht zu den Buddhas und Patriarchen, solange er das Nichtwissen nicht überwindet. Wenn einer das Nichtwissen zu überwinden verlangt, so liegt das Geheimnis in der Übung des Zazen.

Ein alter Meister spricht: Wenn die Trübung aufhört, so entsteht Stille. Wenn die Stille entsteht, so scheint Weisheit auf. Wenn Weisheit aufscheint, so offenbart sich das wahre Wesen. Wenn du die Trübung des Geistes überwinden willst, mußt du das Denken an Gut und Böse aufgeben. Auch mußt du alle Gegenstandseindrücke von dir werfen, dein Geist darf nichts denken und dein Leib darf nichts tun. Dies ist als erstes zu merken. Wenn die Trübungen durch die äußeren Gegenstände erlöschen, so schwinden zugleich auch die Trübungen des Geistes. Wenn die Trübungen dahinschwinden, so tritt das unveränderliche Wesen in die Erscheinung. Weil du es immer vollkommen weißt, ist es weder totenstill noch in Bewegung.

Von allen Techniken und Künsten, Weisen und Wegen, von Medizin, Richtungsdeutung und Wahrsagerei mußt du dich fern halten. Noch viel weniger darfst du dich Gesang und Tanz, Freudenmädchen und Musik, Wortstreit und leerem Disput, Ehre und Gewinn nahen. Zwar können Dichtung und Lieder das Herz reinigen, doch beschäftige dich nicht mit Vorliebe damit! Literatur, Pinsel und Tuschstein aufgeben, lehrt das hervorragende Beispiel derer, die den Weg übten. Dies ist sehr wichtig für die Ordnung des Geistes.

Du darfst weder schöne noch schmutzige Kleidung tragen. Schöne Kleider erregen die Gier. Auch sind Diebe zu befürchten, deshalb sind sie für den Übenden ein Hindernis. Auch wenn jemand aus besonderem Grunde solche schenkt, so lehrt doch das gute Beispiel der Alten, sie nicht anzunehmen. Und auch wenn du solche von früher her besitzest, sollst du ihnen keine Aufmerksamkeit zuwenden. Selbst wenn Diebe sie rauben, sollst du diesen nicht nacheilen und dich nicht betrüben. Schmutzige und alte Kleider mußt du waschen und ausbessern, Schmutz entfernen und sie gereinigt anziehen. Wenn du Schmutz nicht entfernst, wird der Körper kalt und Krankheit entsteht. Auch dies ist ein Hindernis für die Übung.

Wenn man auch nicht um das leibliche Leben bekümmert ist, so werden doch Mangel an Kleidung, Mangel an Speise und Mangel an Schlaf die drei Mängel genannt: alle drei werden zum Grund für Trägheit (in der Übung). Rohe, harte (unverdauliche), verdorbene, unsaubere Speisen soll man nicht essen, weil sie im Magen Unruhe stiften, im Leib Fieber und im Geist Betrübnis verursachen und das Zazen stören. Man darf nicht an wohlschmeckenden Speisen hängen. Solche schaden nicht nur Leib und Geist, sondern schaffen auch gierigen Gedanken Einlaß. Die Speise soll bloß das Leben erhalten, nicht aber den Geschmack ergötzen. Nach reichlichem Essen in Meditation hocken läßt Krankheit entstehen. Nach großen oder kleinen Mahlzeiten kann man nicht sogleich hinhocken. Erst nach einer kurzen Weile ist man zum Zazen fähig. Die Mönche müssen unbedingt beim Essen Einschränkung üben. Einschränkung heißt das Maß begrenzen: von drei Teilen zwei Teile essen und einen Teil übriglassen. Alle Heilkräuter, Sesam, Yamswurzeln soll man immer nehmen. Dies ist wichtig für die Ordnung des Leibes.

Beim Zazen darf man sich nicht an Wand, Meditationsstützbalken oder Wandschirm anlehnen. Auch übe Zazen nicht an einem Ort, der heftigem Wind ausgesetzt ist, noch steige zu einem hohen Platz mit Fernblick empor! All solches läßt Krankheiten entstehen. Wenn beim Zazen der Leib sich hitzig oder kalt, unbehaglich oder wohl, hart oder weich, schwer oder leicht oder sonst irgendwie seltsam anfühlt, so ist allemal der Atem nicht in Ordnung. Man muß ihn unbedingt ordnen. Die Ordnung des Atems geschieht, indem man eine Weile den Mund öffnet, und wenn der Atem lang ist, sich dem langen Atem überläßt, wenn der Atem kurz ist, sich dem kurzen Atem überläßt und so langsam diesen ordnet. So verfährt man eine Weile: wenn man dabei das Erleuchtungswirken wahrnimmt, ordnet sich der Atem von selbst. Danach soll man sich wieder dem Zug der Nasenatmung überlassen.

Wenn der Geist gleichsam einsinkt oder aufsteigt, wenn er dumpf oder scharf wird, (durch Wände und verschlossene Türen) die Dinge draußen schaut oder das Innere des Leibes durchschaut, wenn er den Buddha-Leib oder einen Bodhi-sattva sieht, wenn er eine Wissensschau erweckt oder Sutren und Sastren erkennt, -alle derartigen merkwürdigen Dinge und ungewöhnlichen Zustände sind Krankheitserscheinungen, die aus der Ungeordnetheit des Denkens und des Atems entstehen. Zur Zeit der Krankheit läßt man den Geist während des Hockens über den beiden Fußsohlen ruhen. Beim Versinken ins Dunkel läßt man den Geist am Rande der Haare oder zwischen den Augenbrauen ruhen. Bei Zerstreuung läßt man den Geist auf der Nasenspitze oder unter dem Nabel ruhen. Beim gewöhnlichen Sitzen ruht der Geist in der linken Handfläche. Bei längerem Sitzen zerstreut sich der Geist, auch ohne Ruhen (an einer bestimmten Stelle), von selbst nicht.

Selbst die Lehren der Alten soll man, obwohl sie den Geist erhellende Unterweisungen der Schule sind, nicht viel anschauen, niederschreiben oder hören. Wenn man solches viel tut, so wird es zu einer Ursache der Geisteszerstreuung. Alle Ermüdung von Leib und Geist kann Krankheit verursachen. Übe Zazen nicht an Orten, wo Gefahr von Feuer, Wasser, Sturm und Räubern droht, noch auch am Meeresstrand oder in der Nähe von Weinschänken, Freudenhäusern, bei den Wohnungen von Witwen, jungen Mädchen und Sängerinnen! Wohne auch nicht in den Häusern von Königen, Ministern und Mächtigen noch in der Nähe von gierigen, ehrsüchtigen, streitliebenden Menschen!

Große Buddha-Feiern und gewaltige Tempelbauten sind zwar sehr gute Werke, aber wer sich ganz dem Zazen widmet, darf solche nicht üben. Auch darf er nicht Predigt und Lehrvortrag lieben, weil dadurch Zerstreuung des Geistes und ungeordnete Gedanken entstehen. An großem Zusammenlauf von Menschen darf er sich nicht ergötzen noch gierig nach Jüngern verlangen. Vielerlei Übung und mannigfaches Studium soll er nicht betreiben.

Übe nicht Zazen an einem Ort, der sehr hell oder sehr dunkel, sehr kalt oder sehr heiß ist, noch auch nahe bei sich vergnügenden Menschen oder Freudenmädchen! In der Zen-Halle, bei gutem Meister, in tiefem Wald oder dunklem Tal darf man getrost verweilen. Bei klarem Wasser und auf lichter Berghöhe ist der Ort für das Gehen, im Talgrund und unter Bäumen ist der Ort für die Klärung des Geistes. Man möge die Vergänglichkeitsschau nicht vergessen, weil sie den Geist zur Suche nach dem Weg anspornt.

Die Sitzmatte soll man dick ausbreiten, so hockt man bequem. Der Übungsort sei sauber. Wenn man beständig Weihrauch brennt und Blumen darbringt, sind die guten Schirmgötter des Dharma, die Buddhas und Bodhisattvas zugegen und verleihen Schutz. Wenn man Bilder der Buddhas, Bodhisattvas und Arhats verehrt, vermögen alle Teufel und Dämonen nicht zu nahen. Stets wohne im großen Erbarmen und wende die unermeßlichen Verdienste des Zazen allen Lebewesen zu! Laß keinen Hochmut, kein

Selbstgefühl, keine Überheblichkeit gegenüber dem Dharma aufkommen! Solches ist die Weise der Ungläubigen und Unerleuchteten. Wenn man entschieden die Leidenschaften zu durchbrechen und mit aller Kraft die Erleuchtung zu erlangen wünscht, muß man ausschließlich Zazen und in allem das Nichttun üben. Dies ist die wichtige Regel für das Zazen.

Immer muß man Augen und Füße waschen, Leib und Geist stille halten und die Körperhaltungen ordnen. Weltliche Gefühle muß man aufgeben, auch darf man nicht an Erleuchtungsgefühlen haften. Mit der Lehre des Dharma soll man nicht kargen, doch lehre nicht ungebeten! Man befolge die Regel der dreimaligen Bitte und richte sich nach den vier Wesensstücken (des Lehrens)! Wenn man zehnmal zu sprechen wünscht, soll man neunmal schweigend von dannen gehen. Um den Mund wächst Schimmel; es ist wie mit einem Fächer im Dezember; wie eine Glocke in der leeren Luft nicht antwortend auf den Wind aus den vier Himmelsrichtungen, so ist die Wesensart des Jüngers des Weges. Er hat den Dharma und begehrt nichts von den Menschen, er hat den Weg und rühmt sich nicht. Dies ist wichtig.

Zazen gehört nicht zu Lehre, Übung und Erleuchtung, aber enthält diese drei Tüchtigkeiten. Erleuchtung, die das Warten auf das Satori-Erlebnis zur Norm nimmt, ist nicht das Wesen des Zazen. Übung, die die Verwirklichung der Wahrheit übt, ist nicht das Wesen des Zazen. Lehre, die das Überwinden des Bösen und Üben des Guten lehrt, ist nicht das Wesen des Zazen. Auch wenn man im Zen Lehre aufstellt, so ist es nicht die gewöhnliche Lehre. Beim Weg des unmittelbaren Zeigens in einliniger Überlieferung ist der ganze Leib ganz und gar Predigt, die Worte sind keine Sätze. Wo die Absicht versagt und die Vernunft am Ende ist, umfaßt ein Wort alles. Wo kein Haar zur Geltung gebracht wird, ist da nicht die wahre Lehre der Buddhas und Patriarchen?

Wenn man auch von Übung spricht, so ist es die Übung des Nichttuns. Der Leib bewegt sich nicht, der Mund rezitiert keine Geheimformeln, der Geist hat keine Gedanken. Die sechs Organe sind von selbst lauter, und alles ist fleckenlos. Nicht die sechzehn Übungen der Sravaka, nicht die zwölf Übungen des Pratyeka-Buddha, nicht die alle Übungen enthaltenden sechs Paramitä des Bodhisattva, sondern das Nichttun von allem heißt Buddhawerden. Nur im Samädhi des Selbstgenusses aller Buddhas wohnen, sich ergötzen in den vier beglückenden Übungen des Bodhisattva, – ist das nicht die tiefe, wunderbare Übung der Buddhas und Patriarchen?

Oder wenn man auch Erleuchtung lehrt, ohne Erleuchtungs(-übung) erleuchtet sein, ist das königliche Samadhi, das Samadhi des ungeborenen Wissens, das Samädhi des All Wissens, das Samadhi des ursprünglichen Wissens, das Aufspringen des lichten Tores der Weisheit des Vollendeten und des Dharma-Tores der großen Beglückung. Die Unterschiede von Erleuchtetem und Unerleuchtetem, von Trübung und Erleuchtung hinter sich lassend, ist dieses nicht das Erlebnis der ursprünglichen großen Erleuchtung?

Ferner gehört das Zazen auch nicht zu Gebot, Versenkung und Weisheit, aber es enthält diese drei Disziplinen. Gebot heißt das Unrechte verhindern und das Böse hemmen. Zazen schaut das Ganze ohne Dualität, verwirft alle Erscheinungen und läßt alle Gegenstände ruhen, kümmert sich nicht um Buddha-Gesetz und Gesetz der Welt, vergißt beide, nämlich das Gefühl des Buddha-Weges und das Gefühl der Welt, kennt weder richtig noch falsch, weder gut noch böse. Wie gäbe es da Verhindern und Hemmen? Dieses ist das Gebot des gestaltlosen Geistes.

Versenkung ist ungeteilte Kontemplation. Zazen bedeutet das Ausfallen von Leib und Geist, die Trennung von Trübung und Erleuchtung, ein Zustand ohne Veränderung und ohne Bewegung, ohne Tun und ohne Dunkel, gleichsam wie von Sinnen, wie eine steile Wand, wie der Berg und wie das Meer. Die beiden Formen von Bewegung und Ruhe entstehen offensichtlich nicht. Dieses ist Versenkung ohne die Form der Versenkung. Weil die Form der Versenkung fehlt, heißt sie die „große Versenkung“.

Weisheit bedeutet Wählen und Verwerfen in vollkommener Erkenntnis. Beim Zazen erlöscht von selbst die Erkenntnis (von Gegenständen), die Bewußtseinstätigkeiten fallen für immer in Vergessenheit. Der ganze Leib wird zum Weisheitsauge und schaut ohne Wählen und Werten klar die Buddha-Natur. Ohne Verwirrung durch eine ursprüngliche Trübung schneidet (das Weisheitsauge) die Wurzeln des Bewußtseins ab, alles klar durchdringend. Dies ist die Weisheit ohne die Form der Weisheit. Weil die Form der Weisheit fehlt, heißt sie die „große Weisheit“.

Die Lehren aller Buddhas und die verschiedenen Lehrstufen der Predigt des Ehrwürdigen w sind alle in Gebot, Versenkung und Weisheit enthalten. Im Zazen wird alles Gebot beobachtet, alle Versenkung geübt und alle Weisheit realisiert. Die Bezwingung des Bösen (Mara), die Erlangung der Erleuchtung, das In-Bewegung-Setzen des Dharma-Rades und das Eingehen in das Nirvana beruhen alle auf dieser Kraft. Wunderkräfte, außergewöhnliche Tätigkeiten, Lichtstrahlen und Verkündigung des Dharma beruhen alle auf dem Zazen. Und auch die Übung des Zen ist Zazen.

Wenn du Zazen üben willst, so ist zunächst ein ruhiger Ort dafür gut. Breite ein Sitzkissen dick aus! Laß Wind und Rauch nicht eindringen. Regen und Tau keinen Schaden tun! Nimm genügend Raum für die Kniee, reinige den Ort des Zazen! In alter Zeit saß man im Diamantsitz und Spuren zeugen vom Hocken auf Felsen, doch hockt man nicht ohne Sitzkissen. Der Platz des Hockens sei bei Tag nicht hell und bei Nacht nicht dunkel, im Winter warm und im Sommer kühl, so lautet die Anleitung.

Wirf ab Geist, Wollen und Bewußtsein, laß Gedanken, Vorstellungen und Sehen ruhen, denke nicht daran Buddha zu werden! Urteile nicht über richtig und falsch! Bei Tag und bei Nacht nutze die Zeit, als ob du Feuer am Kopf löschen müßtest! Das Sitzen in Meditation des Vollendeten, die Wand-Meditation im Tempelkloster Shao-lin waren nichts anderes als ausschließliches Zazen in völliger Konzentration. Shih-shuang vergleicht es mit einem dürren Baum, Ju-ching vom Berg Ta-po schalt (ob des Schlafens bei der Übung). Ohne Weihrauchbrennen und Verehrung, ohne Anrufen des Buddha-Namens und Reuezeremonie, ohne Sutrenrezitation und Beschwörungsriten erlangt man durch ausschließliches Zazen die Erleuchtung.

Bei der Übung des Zazen soll man das Mönchsgewand (kesa) anlegen (außer am frühen Morgen vor Beginn des rituellen Tagesablaufes und am späten Abend) und es nicht weglassen. Das Sitzkissen (von einem Durchmesser von 1 shaku 2 sun und einem Umfang von 3 shaku 6 sun) darf die Sohlen nicht ganz stützen, es reicht von der Mitte der Fußsohle nach hinten bis unter den Knochen der Rückenmarksäule. So ist es die Hockart der Buddhas und Patriarchen. Man sitzt im Verschränkungssitz oder halben Verschrän-kungssitz. Beim Verschränkungssitz legt man zuerst den rechten Fuß über den linken Oberschenkel, dann den linken Fuß über den rechten Oberschenkel. Die Kleidung legt man locker an (das Unterkleid ist mit einem Band gegürtelt), aber sie sei ordentlich. Dann läßt man die rechte Hand auf dem linken Fuß, die linke Hand auf der rechten Hand ruhen, bringt die einander entgegengestellten Daumen beider Hände sich stützend in die Nähe des Körpers, die gestützten Daumen ruhen gegenüber dem Nabel. Der Körper soll gerade hocken, ohne nach links oder nach rechts zu neigen oder sich nach vorn oder nach rückwärts zu beugen. Ohren und Schultern, Nase und Nabel müssen unbedingt einander gegenüberstehen, die Zunge haftet am oberen Gaumen, der Atem geht durch die Nase, Lippen und Zähne sind geschlossen, die Augen sollen nicht zu weit und nicht zu eng geöffnet sein. Wenn so der Körper in Ordnung ist, atmet man tief, einmal oder zweimal stößt man mit offenem Mund die Luft aus. Dann wiegt man, fest sitzend, den Körper sieben- oder achtmal, anfangs kräftiger, dann immer leichter, bis der Körper in unbewegter Steilheit dahockt. Nun denke das Nichtdenken! Wie soll man es denken? Nichtdenken, dies ist das Wichtigste beim Zazen. Man durchbricht die Leidenschaften und erlangt die Erleuchtung.

Wenn man von der Meditation aufstehen will, legt man zunächst beide Hände geöffnet auf beide Kniee, wiegt den Körper sieben- oder achtmal, anfangs leicht, dann bis zu kräftiger Bewegung. Man öffnet den Mund und stößt die Luft aus, dann spreizt man beide Hände und preßt den Boden. Leicht erhebt man sich aus dem Sitz und geht langsam im Kreis rund von links nach rechts und von rechts nach links.

Wenn einem beim Hocken Tiefschlaf ankommt, so soll man beständig den Körper bewegen oder die Augen aufreißen, oder man soll den Geist auf dem Kopfscheitel oder am Rand der Haare oder zwischen den Augenbrauen ruhen lassen. Wenn man sich so noch nicht wachhalten kann, so soll man mit den Händen die Augen wischen oder den Körper reiben. Wenn du immer noch nicht wach bleiben kannst, so steh vom Sitz auf und geh nach links im Kreis rund! Wichtig ist, daß dies in der richtigen Ordnung geschieht. Wenn du hundert Schritte getan hast, bist du gewiß von der Schläfrigkeit erwacht. Das Schrittmaß beim Gehen ist jeweils ein halber Schritt bei einmaligem Ein- und Ausatmen. Beim Gehen halte dich wie beim Nichtgehen ruhig ohne Bewegung! Wenn du bei solchem Rundgehen dennoch nicht erwachst, so wasche die Augen, kühle den Kopf oder sage

die Einleitung zum Brahmajala-sutra her! Schüttle so den Schlaf auf vielerlei Weise ab! Bedenke die Wichtigkeit von Leben und Tod und die rasche Vergänglichkeit, ferner was es heißt schlafen, ohne noch das Erleuchtungsauge geklärt zu haben! Wenn die Schläfrigkeit immer wieder kommt, so sprich betend: Wegen eines bösen Karma ist die Gewohnheit stark, wann werde ich aus dem Dunkel des Schlafes erwachen? Mögen die Buddhas und Patriarchen mich mit großem Erbarmen vom Leid der Schläfrigkeit befreien!

Wenn der Geist sich zerstreut, so laß den Geist auf der Nasenspitze oder unter dem Nabel ruhen und zähle das Ausatmen und Einatmen! Wenn der Geist noch nicht zur Ruhe kommt, so nimm ein Koan und wecke dich auf! Zum Beispiel: Was ist das, was da so daherkommt? Oder die Buddha-Natur des Hundes – Mu, oder der Berg Sumeru des Yün-men, oder der Lebensbaum des Chao-chou. Solche ungewöhnliche Sprüche sind geeignet.

Wenn sich der Geist immer noch nicht beruhigt, übe mit letztem Einsatz im Hinblick auf den Augenblick, wo der Atem abbricht und die Augen für immer erlöschen, oder auch im Hinblick auf den Augenblick vor der Empfängnis im Mutterleib und dem Entstehen des einen Gedankens. Wenn plötzlich die Leere von beidem (nämlich Subjekt und Objekt) erscheint, weicht bestimmt die Zerstreuung des Geistes.

Wenn du nach dem Aufstehen von der Meditation ohne zu denken die Körperhaltung einnimmst, so erscheint das Koan. Wenn du ohne Unterscheidung Übung und Erleuchtung manifestierst, so erscheint das Koan. Was vor einem Zeichen und jenseits dem Zeitalter (Kalpa) der Leere ist, der Kern des wunderbaren Wirkens der Buddhas und Patriarchen ist nur dieses Eine. Laß allsobald die Dinge ruhen und schwinden, entweiche in ein kühles Land, in das Nu der zehntausend Jahre, in (die Leblosigkeit) kalter Asche und eines dürren Baumes, in den Weihrauchduft eines alten Grabes, in einen Faden weißer Seide! Dieses ist mein allerhöchstes Beten.

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DENKOROKU


Wenn du es mit den Ohren hören willst, ist es kaum zu verstehen.
Lauschst du aber mit den Augen, wirst du es begreifen – Tozan Ryokai

Denkoroku oder die Chroniken der Weitergabe des Lichtes, ein Werk für das Soto Zen von so großer Wichtigkeit wie das Shobogenzo von Meister Dogen, dokumentiert die Erleuchtungserfahrung und die Weitergabe des Dharmas von Shakyamuni Buddha bis Meister Koun Ejo. Es handelt sich also um dreiundfünfzig Geschichten, die von Keizan Zenji erzählt, die ununterbrochene Überlieferung von Meister zu Meister wiedergeben.

Jede einzelne Erzählung ist jeweils in vier Abschnitte unterteilt, die aus einen einleitenden Koan bestehen, der Hintergrundinformation über den Kontext des Koans, dem Teisho oder Dharmavortrag, wo Keizan Zenji seinen Schülern eine Orientierung gab, damit diese den Koan selbst interpretieren und einen anschließenden Vers. Besonders das Teisho ist von großer Wichtigkeit, um die Realisation der Meister der Vergangenheit zu verstehen. Der anschließende Vers stellt mit einigen wenigen Wörtern die Essenz des Koans dar, und entspricht so der Tradition des Zen, wo die Schüler ihren Meistern auf poetische Art und Weise ihr Verständnis über bestimmte Aspekte der Unterweisung darlegen.

Es folgt der zweite Teil der Geschichte über die Überlieferung des Dharmas von Tozan Ryokai:

Zu den unbelebten Wesen, die den Dharma predigen, befragte der Arbeiter Zhanfen aus Nanyang den Nationallerher Huizhong:

-Ich gestehe demütig, dass ich nichts verstehe, wenn Ihr von unbelebten Wesen sprecht, die den Dharma predigen. Ich bitte Euch, mich zu unterweisen.

Der Nationallehrer sagte:
– Wenn du mich dazu befragst, wie unbelebte Wesen den Dharma predigen, musst du zunächst das Unbelebte verstehen, dann wirst du auch meine Lehre begreifen.

Zhangfen sagte:
– Bitte erklärt mir gleich, was das Unbelebte ist, damit ein belebtes Wesen es verstehen kann.

Der Nationallehrer sagte:
– Genau jetzt ist in jedem, in dem keinerlei Gedanken an Gewöhnliches und Heiliges entstehen oder Bergen, ein feinsinniges Bewusstsein, das nicht von Sein oder Nicht-Sein abhängt, ein deutliches Gewahrsein ohne jegliches Anhaften. Darum sagte Patriarch Huineng: “Die sechs Sinne, die die äußeren Objekte unterscheiden, sind nicht dieses Bewusstsein.”

So sprach Nanyang Huizhong über das Predigen des Dharma durch Unbelebte. Er sagte: “In jedem, in dem keinerlei Gedanken an Gewöhnliches und Heiliges entstehen oder vergehen, ist ein feinsinniges Bewusstsein, das nicht von Sein oder Nicht-Sein abhängt, ein deutliches Gewahrsein ohne jegliches Anhaften.“ Gewöhnlich denken Menschen, das Unbelebte müssten Zäune, Mauern, Ziegeln, Steine, Lampen und Säulen sein. Doch das ist es nicht, was der Nationallehrer uns sagt. Die Ansichten von gewöhnlichen und heiligen Menschen werden nicht unterschieden, ein Anhaften an Täuschung und Erwachen taucht nicht auf. Noch weniger gibt es die Intrigen leidenschaftlicher Gedanken und Wertungen und auch nicht die üblichen Bewegungen und Formen von Leben und Tod. Es ist ein feinsinniges Bewusstsein, das deutlich gewahr ist und nicht dem Anhaften des leidenschaftlichen Bewusstseins gleicht. Auch Tozan sagte, auf diese Weise müsse man es verstehen, um in Einklang mit dieser Wirklichkeit zu sein.
Wenn ihr wisst dass ihr stets alleine geht, wohin ihr euch auch wendet, dann gibt es keinen Augenblick mehr, in dem nicht alle Dinge im Einklang mit der Wirklichkeit sind. Die Alterwürdigen sagten: „Außerhalb der Wirklichkeit gibt es kein Wissen, das durch die Wirklichkeit beglaubigt würde, und es gibt keine Wirklichkeit außerhalb des Wissens, die durch Wissen kultiviert würde. Wirklichkeit ist unwandelbares, klares und beständiges Wissen.“ Darum heißt es, es handele sich um vollständig klares Wissen, das nicht mit dem Denken verknüpft ist. Deutliches Gewahrsein ist nicht Anhaften. Guishan sagte: „Ich kann es dir nicht mit Worten sagen.“ Er sagte auch: „Wenn belebte Wesen es hören könnten, wären sie nicht länger belebte Wesen.“ Da er die Anleitungen verschiedener Meister empfing und das wahre Unbelebte verstand, konnte Tozan als unser alter Patriarch ausgiebig die Soto-Tradition verbreiten.

Durch genaue Betrachtung werdet ihr dieses feinsinnigen Bewusstseins deutlich gewahr. Man nennt es „unbelebt“, weil dort keinen Tönen und Formen nachgerannt wird und keine Fesselung an ein leidenschaftliches Bewusstsein herrscht. Dieses Prinzip muss sorgsam gepredigt werden. Wenn ihr also vom Predigen des Unbelebten hört, denkt nicht, dass es auf Zäune und Mauern verweist. Wenn ihr nicht an Gefühlen und Gedanken hängt und eure Wahrnehmung nicht zerstreut ist, dann ist das feinsinnige Bewusstsein klar, unbehindert und strahlend. Wenn ihr diesen Bereich zu erfassen sucht, ist dies nicht möglich da er nicht durch Form beschränkt ist, existiert er nicht. Doch wenn ihr ihn loswerden wollt, könnt ihr ihn nicht verlassen. Da er euch seit Menschengedenken begleitet hat, ist er nicht nicht-existent. Dennoch ist er kein Ergebnis des gewöhnlichen Bewusstseins, Wissens oder Denkens; noch weniger ist er mit den vier Elementen oder fünf Skandhas verbunden.
Hongzhi sagte: „Es gibt ein Wissen jenseits leidenschaftlichen Denkens und Unterscheidens, und einen Körper, der nicht aus den vier Elementen und fünf Skandhas besteht.“ Dies ist das feinsinnige Bewusstsein. Stets klar zu predigen bedeutet, dass es immer manifest ist. Dies ist wahres Predigen. Es lässt einen die Augenbrauen heben und mit den Augen blinzeln, laufen, stehen, sitzen, liegen, verwirrt sein, in Schwierigkeiten geraten, hier sterben und dort geboren werden, essen, wenn man hungrig ist, und schlafen wenn man müde ist. All dies ist Predigen. Sprechen, Arbeiten, Bewegung und Nicht-Bewegung sind ebenfalls Predigen. Es geschieht nicht nur mit Worten oder wortlos. Es ist das eine, das auf wunderbare Weise erscheint, das leuchtend und niemals dunkel ist. Da es in allem offenbar ist, selbst im Klaffen einer Muschel und dem Geräusch von Erdwürmern, predigt es deutlich ohne Unterlass. Wenn ihr es vollständig erfasst, werdet ihr eines Tages wie unser berühmter Patriarch Tozan anderen ein Vorbild sein.

Vers

Dies äußerst feinsinnige Bewusstsein ist kein gefühlsmäßiges Anhaften.
Es lässt das Eine stets umfassend predigen.

Quelle: Denkoroku. Die Weitergabe des Lichtes / Keizan Jokin. Frankfurt, Angkor Verlag, 2008

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TOZAN RYOKAI


Dies äußerst feinsinnige Bewusstsein ist kein gefühlsmäßiges Anhaften,
Es lässt das Eine stets umfassend predigen – Keizan Jokin

Der achtunddreißigste Patriarch war Großmeister Tozan Ryokai. Als er Ungan Donjo besuchte, sagte er: „Wer kann die unbelebten Wesen den Dharma predigen hören?“ Ungan antwortete „Die Unbelebten können die unbelebten Wesen den Dharma predigen hören.“ Tozan fragte: „Hört ihr ihn?“ Ungan Donjo erwiderte: „Wenn ich ihn hören könnte, dann könntest du mich nicht den Dharma predigen hören.“ Tozan sagte: „In diesem Fall hört Euch Tozan nicht den Dharma predigen.“ Ungan fuhr fort: „Wenn du mich immer noch nicht den Dharma predigen hörst, um wie viel weniger wird’s du dann die unbelebten Wesen den Dharma predigen hören?“ Da wurde Tozan tief erweckt und dichtete folgende Verse:

„Wunderbar! Wunderbar!
Das Predigen des Dharma durch unbelebte Wesen ist unfassbar.
Wenn du es mit den Ohren hören willst, ist es kaum zu verstehen.
Lauschst du aber mit den Augen, wirst du es begreifen.“

Ungan stimmte zu.

Hintergrund

Der Meister hieß Tozan und entstammte dem Yu-Clan aus Huiji. Als er noch jung war, las er mit einem Lehrer das Herzsutra. Bei den Worten „Es gibt kein Auge, kein Ohr, keine Nase, keine Zunge, keinen Körper und keinen Geist“, tastete er plötzlich sein Gesicht mit der Hand ab. Er fragte seinen Lehrer: „Ich habe Augen, Ohren, Nase, Zunge und alles andere. Warum behauptet diese Schrift, sie existierten nicht?“ Der Lehrer fand diese Frage bemerkenswert. Er sagte: „ich bin nicht dien Lehrer“ und sandte ihn zu Zen-Meister Limo auf den Berg Wuxie, wo ihm der Kopf geschoren wurde. Im Alter von zwanzig Jahren ging er auf den Berg Song und empfing die vollständigen Gebote. Er war das Lieblingskind seiner Mutter, da sein älterer Bruder bereits verstorben war und sein jüngerer Bruder in bitterer Armut lebte. Auch sein Vater war tot. Als er nach der Doktrin der Leere suchte, verließ er seine Mutter mit dem Gelübde: „Ich werde nicht an meinen Geburtsort zurückkehren und meiner Mutter Respekt erweisen, ehe ich den Dharma erlangt habe.“ Mit diesem Schwur verließ er seinen Geburtsort.
Schließlich beendete er seine Studien und lebte fortan auf dem Berg Dong. Da seine Mutter allein war und sich niemandem sonst nahe fühlte, suchte sie jeden Tag nach ihm und schloss sich schließlich einer Gruppe umherziehender Bettler an. Als sie hörte, dass sich ihr Sohn auf dem Berg Dong befand, sehnte sie sich danach, ihn zu treffen, doch Tozan wollte dies vermeiden und versperrte den Eingang zu seinem Wohnraum, sodass sie nicht eintreten konnte. In der Folge starb seine Mutter draußen vor Kummer. Daraufhin nahm Tozan das bisschen Reis, das sie als Bettlerin gesammelt hatte, und vermischte es mit dem Reisschleim, den die Mönchsgemeinschaft zum Frühstück einnahm, als eine Opfergabe für die Reise seiner Mutter in ein nächstes Leben. Bald danach erschien sie ihm in einem Traum: „Weil du an deinem Entschluss festgehalten und mich nicht getroffen hast, konnte ich die täuschenden Gefühle der Liebe und Anhaftung durchtrennen. Infolge der Macht dieser guten Wurzeln wurde ich im Reich der befriedigten Himmelswesen wiedergeboren.“

Teisho

Obgleich keiner der Patriarchen an Tugend unter- oder überlegen war, war es besonders Tozan, der alte Patriarch unserer Schule, der das Soto-Zen auf diese Weise verbreitete. Er besaß die Kraft, das Elternhaus zu verlassen, und er heilt an seinem Entschluss unbeirrt fest. Als er mit seiner Übung in Nanquans Gemeinschaft begann, wurde dort gerade des Todestages von Mazu gedacht. Während sie Opfergaben vorbereiteten, frage Nanquen die Mönche: „Wenn wir morgen Mazu die Opfergaben darbringen, glaubt ihr denn, dass er auch kommt?“ Die Mönche blieben stumm. Tozan trat vor und meinte: „Wenn er einen Bergleiter hat, wird er kommen.“ Nanquan bemerkte: „Obwohl er jung ist, eignet er sich gut zum Schneiden und Polieren.“ Tozan sagte: „Macht das Gute nicht zu etwas Schädlichem.“
Danach übte er bei Guishan. Zu ihm sagte er: Kürzlich hörte ich den Ausspruch von Nationallehrer Huizhong aus Nanyang über unbelebte Wesen, die den Dharma predigen, doch kann ich sein Feinheiten noch nicht begreifen.“ Guishan fragte: „Erinnerst du dich daran?“ Tozan sagte: „Ja, ich erinnere mich.“ Guishan forderte ihn auf: „Dann versuch es mal.“ Tozan sagte: „Ein Mönch fragte: „Was ist der Geist der alten Buddhas?“ Der Nationallehrer sagte: „Zäune, Mauern, Ziegel und Steine.“ Der Mönch frage: „Sind diese nicht alle unbelebt? Der Nationallehrer erwiderte: „Ja, das sind sie“. Der Mönch fragte: „Könnt Ihr erklären, wie sie den Dharma predigen?“ Der Nationallehrer sagte: „Sie predigen andauernd, mit Kraft und ohne Unterlass.“ Der Mönch fragte: „Warum kann ich sie nicht hören?“ Der Nationallehrer antwortete: „Du hörst sie nicht, doch das kann andere nicht davon abhalten, sie zu hören.“ Der Mönch sagte: „Ich frage mich, ob sonst noch jemand sie hören kann.“ Der Nationallehrer antwortete: „Die Heiligen können sie hören.“ Der Mönch fragte: „Wenn Ihr sie nicht hören könnt, wie könnt Ihr dann wissen, dass die unbelebten Wesen den Dharma predigen? Der Nationallehrer sagte: „Zum Glück kann ich sie nicht hören denn wenn ich es täte, wäre ich wie die Heiligen, und dann könntest du mich nicht den Dharma predigen hören„. Der Mönch fragte: „Spielen belebte Wesen also keine Rolle dabei?“ Der Nationallehrer sagte: „Dann sind sie nicht länger belebte Wesen.“ Der Mönch fragte: „Was ist in den Schriften die Grundlage für das Predigen des Dharma durch unbelebte Wesen? Der Nationallehrer antwortete: „Worte, die nicht mit den Schriften übereinstimmen, werden unter Ehrenmännern nicht diskutiert. Weiß du nicht, dass es im Avatamsaka-Sutra heißt: „Tempel predigen, belebte Wesen predigen und alle Dinge in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft predigen.“
Als Tozan dies gesagt hatte, meinte Guishan: „Auch ich besitze dieses Wissen, doch ich hatte noch keine Gelegenheit, einem Erwachten zu begegnen.“ Tozan sagte: „Es ist mir immer noch nicht klar. Ich bitte euch, mich zu unterweisen.“ Guishan erhob seinen Hossu und fragte: „Verstehst du?“ Tozan sagte: „Nein. Bitte erklär es mir.“ Guishan sagte: „Ich kann es dir nicht mit Worten erklären.“ Tozan fragte: „hat irgendjemand zur gleiche Zeit wie Ihre den Weg gesucht? Guishan sagte. „Gehe in die Steinhöhen von Liling in Youxian, dort wirst du auf Ungan treffen. Wenn du das Unkrautwilder Leidenschaft beseitigen und dich kopfüber in die Winde des Dharma stürzen kannst, wirst du gewiss willkommen sein.“ Tozan sagte: „Was sollte ein Schüler tun, wenn er einem Meister dienen will?“ Ich erwiderte: ER sollte einfach all seine Anhaftungen abschneiden.“ Er frage: „Wird er dann noch vermeiden können, der Lehre des Meisters zu schaden?“ Ich verneinte dies und sagte: Am wichtigsten ist, niemandem zu sagen, dass ich hier bin.“

Danach ging Tozan von Guishan direkt zu Ungan. Als er diesem die obige Geschichte erzählt hatte, frage er ihn: „Wer kann die Unbelebten den Dharma predigen hören?“ Tozan erwiderte: „Die Unbelebten können sie hören.“ Tozan fragte: „Könnt ihr sie hören? Ungan erwiderte: „Wenn ich sie hören könnte, würdest du mich nicht den Dharma predigen hören.“ Tozan fragte: „Warum kann ich sie nicht hören?“ Ungan erhob seinen Hossu und frage: „Hörst du etwas?“ Tozan verneinte. Ungan sagte: „Wenn du mich noch immer nicht den Dharma predigen hörst, um wie viel weniger denn die Unbelebten?“ Tozan fragte: Was ist in den Schriften die Grundlage für das Predigen der Unbelebten?“ Ungan erwiderte: „Weiß du nicht, dass im Amida-Sutra steht: Alle Flüsse, Vögel und Bäume preisen Buddha und predigen den Dharma?“ Bei diesen Worten erfuhr Tozan Erleuchtung.

Diese Begebenheit nahm ihren Anfang in der Gemeinschaft des Nationallehrers und endete schließlich in Ungans Höhe mit Tozans „Wunderbar, Wunderbar!“ usf. Als er mit dem Auge des Geistes hörte, verstand er sofort. Er sagte zu Ungan: „Ich habe noch immer ein paar Angewohnheiten nicht abgelegt.“ Ungan fragte: „Bist du glücklich oder nicht?“ Tozan sagte: „Ich habe nicht einmal die Vier Heiligen Wahrheiten praktiziert.“ Ungan fragte: „Bist du glücklich oder nicht?“ Tozan sagte: „Ich bin glücklich. Es ist, als würde man eine glänzende Perle in einem Abfallhaufen finden.“ Dann frage er Ungan: Was soll ich tun, wenn ich meinem ursprünglichen Selbst begegnen will?“ Ungan erwiderte: „Frag den Boten in dir“. Tozan sagte: „Ich frage ihn gerade jetzt.“ Ungan erkundigte sich: „Was erzählt er dir?“
Als Tozan Ungan verließ fragte er: „Wenn du gestorben bist und mich jemand fragt, was deine Lehre war, wie soll ich antworten?“ Ungan überlegte kurz und sagte dann: „Dies ist es, nur dies!“ Tozan schwieg eine Weile. Ungan sagte: „Du musst diese Angelegenheit besonders gründlich verstehen.“ Tozan hatte noch immer Zweifel. Als er später einen Fluss überquerte und sein Spiegelbild darin sah, wurden ihm plötzlich die vorangegangenen Geschehnisse klar. Er verfasste ein Gedicht:

„Suche nichts bei anderen,
sonst wirst du dich von deinem wahren Selbst entfernen.
Ich bin nun allein und unabhängig,
doch ich begegne ihm überall.
Es ist nun ich, doch ich bin nicht es.
Dieses Verständnis ist so wichtig,
um mit dem So-Sein eins zu werden.

Tozans Lebenswerk war vollendet, er war plötzlich von Zweifeln befreit.

Quelle: Denkoroku. Die Weitergabe des Lichtes / Keizan Jokin. Frankfurt, Angkor Verlag, 2008

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ZWÖLF


Die Weiterentwicklung jenseits von Buddha bedeutet wenn Sonne und Mond auf der Spitze eines Stocks existieren – Koso vom Berg Chimon

Meister Tozan Ryokai aus dem In-Distrikt lehrte vor einer Versammlung:
– Wenn ihr mit eurem eigenen Körper das erfahren habt, was sogar über Buddha hinausgeht, dann seid ihr imstande, ein wenig zu sprechen.

Daraufhin fragte ein Mönch:
– Welche Art von Reden wäre das?
Tozan Ryokai erwiderte:
– In dem Augenblick, in dem ein Mönch redet kann er nicht hören.
Der Mönch sagte:
– Hört der Meister selbst (wenn er spricht) oder nicht?
Tozan Ryokai antwortete:
– Wenn ich aufgehört habe zu reden, höre ich.

Kommentar

Wenn die Menschen die Wahrheit verwirklicht haben, setzen sie ihre gewöhnliche Praxis fort und leben weiterhin ihr Alltagsleben. Das ist mit dem Ausdruck „was sogar über Buddha hinausgeht“ gemeint.
Meister Tozan wollte seinen Schülern das demonstrieren, „was sogar über Buddha hinausgeht“. Der Mönch hingegen war an der Art der Gespräche interessiert, die dann stattfinden könnten, wenn sie selbst das, „was sogar über Buddha hinausgeht“, erfahren hätten.

Er nahm an, solche Diskussionen unter Buddhas müssten sehr erhaben und mystisch sein. Doch der Meister befreite ihn von dieser falschen Ansicht. Es seien nur gewöhnliche Gespräche, sagte er: „Wenn ein Mönch spricht, kann er nicht hören.“ Was könnte gewöhnlicher und praktikabler sein?
Der Mönch aber glaubte, der Meister werde gewiss dank seiner tiefen Weisheit durch solch gewöhnliche Umstände nicht eingeschränkt. Und wiederum sagte Meister Tozan bloß: „Wenn ich aufgehört habe zu reden, höre ich“. Es gibt nichts Merkwürdigeres oder Mysteriöses dabei. Dasselbe trifft für die Lebensweise dessen zu, der „sogar über Buddha hinausgeht“. Sie ist einfach, gewöhnlich und unmittelbar. Doch die Menschen geniessen es, Bilder und Idole zu erschaffen, die sie verehren können, statt mit der eigenen Praxis weiterzukommen, die anscheinend mitunter zu langweilig und gewöhnlich ist.
Diese Geschichte gleicht einem Eimer frischen kalten Wassers für diejenigen, die durch eine romantische Sicht von Zen vergiftet sind.

Aus: Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit – Dogen Zenji´s Sammlung von 301 Koan – Geschichten erläutert von einem Meister der Gegenwart. 2005, O.W. Barth Verlag.

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SHINJI SHOBOGENZO – ACHTUNDZWANZIG


In einen verdorrten Baum singt ein Drache – Kyogen

Eines Tages fragte ein Mönch Meister Chikan aus dem Kyogen Tempel:
– Was ist die Wahrheit?
Meister Kyogen erwiderte:
– In einem verdorrten Baum singt ein Drache.
Der Mönch sagte:
– Was ist ein Mensch, der die Wahrheit erfährt?
Meister Kyogen antwortete:
– Es sind die Augen in einem Totenschädel.
Später fragte ein Mönch Meister Sekiso:
– Was ist das Singen des Drachen in einem verdorrten Baum?
Meister Sekiso sagte:
– Da ist noch Freude.
Der Mönch fragte:
– Was sind die Augen in einem Totenschädel?
Meister Sekiso sagte:
– Da ist noch Freude.
Der Mönch fragte:
– Was sind die Augen in einem Totonschädel?
Meister Sekiso sagte:
– Dort gibt es noch Bewusstsein.
Bei einer anderen Gelegenheit fragte ein Mönch Meister Sozan:
– Was ist das Singen des Drachen in einem verdorrten Baum?
Meister Sozan erwiderte:
– Das Herzblut hört niemals auf zu fließen.
Der Mönch fragte:
– Was sind die Augen in einem Totenschädel?
Meister Sozan sagte:
– Die Augen trocken niemals aus.
Der Mönch sagte:
– Ich frage mich, ob es noch jemanden gibt, der das Singen des Drachens hören kann?
Der Mönch fragte:
– Weißt du, was der Gesang bedeutet, wenn ein Drache singt?
Meister Sozan sagte:
– Ich weiß es auch nicht, was der Gesang bedeutet: doch wer ihn hört, der stirbt.

Kommentar

Im alten China gebrauchten die Leute den Begriff ryugin, „das Singen des Drachen“, als ein Symbol für etwas Mystisches in der Natur, im Universum. Der Ausdruck „koboku ryugin, „das Singen des Drachen in einem verdorrten Baum“, beschwört das Bild einer einsamen und öden Landschaft mit verdorrten Bäumen herauf, in der wir das Gefühl haben, etwas hören zu können, das aber etwas anderes als ein Ton ist. Diese Metapher wurde im buddhistischen Testen aufgegriffen, wobei das Singen des Drachen nicht für einen Ton steht, sondern für etwas, das nicht allein mit den Ohren zu hören ist: die Stille, die Natur, das Universum oder die Wirklichkeit.
In diesem Koan wollte der Mönch wissen, was die Wahrheit ist. Meister Kyogen nahm die alte chineische Metapher des Drachen Singens auf und sagte, die Wahrheit sei etwas, das wir zwar erfahren aber eben nicht hören, nicht ergreifen können. Doch der Mönch wollte eine konkretere Erläuterung haben. Wie sit ein Mensch, der die Wahrheit verwirklicht hat? Bei seiner Antwort benutzte der Meister eine andere alte Metapher. Bei jemandem der die Wahrheit verwirklicht hat, ist etwas zu spüren, ähnlich wie uns die Augenhöhlen, wenn wir auf einen Totenkopf blicken, eine subtile Andeutung von Leben vermitteln.
Später bat ein Mönch Meister Sekiso Keisho darum, den Sinn dieser beiden metaphorischen Wendungen zu klären. Meister Sekiso führte aus, das Singen des Drachen lasse auf Freude schließen und die Augen in einm Totenkopf auf ein Bewusstsein. Die Wahrheit sei subtil und unmöglich allein mit dem Verstand zu erfassen.
Bei einer anderen Gelegenheit bat ein Mönch Meister Sozan Honjaku, den Sinn des Singesn des Drachens in einem verdorrten Baum zu erläutern. Meister Sozan legte dar, dies bedeute, das Herzblut – die wahre Lehre Gautama Buddhas – höre niemals auf zu fließen. Dann bat der Mönch noch, der Meister möge etwas über die Augen in einem Totenkopf sagen. Meister Sozan erklärte diese Metapher stehe dafür, dass die Wahrheit immer bei uns sei – sie verschwinde nie.
Der Mönch wechselte dann zu einer praktischen Frage: Kann irgendjemand das Singen des Drachens hören? Der Meister erwiderte, dass wir alle es hören könnten, überall liege die Wahrheit offen zutage. Was nun sagt dies aus? Das Gemeinte liegt außerhalb der Reichweite unseres analystischen Denkens. Und wenn wir den Klang der Wahrheit hören, befreien wir uns von unserer verstandesmäßigen Sichtweise und gehen in die Wirklichkeit ein. Sogar die Klänge der Natur werden dann zur Lehre Gautama Buddhas.

Aus: Die Schatzkammer der wahren buddhistischen Weisheit – Dogen Zenji´s Sammlung von 301 Koan – Geschichten erläutert von einem Meister der Gegenwart. 2005, O.W. Barth Verlag.

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BODHIDHARMA


Der achtundzwanzigste Patriarch war der Ehrwürdige Bodhidharma. Einmal fragte der siebenundzwanzigste Patriarch, der Ehrwürdige Prajnatara: „Was unter all den Dingen ist formlos?“. Bodhidharma antwortete: „Nicht-Entstehen ist formlos.“ Der Patriarch fragte: „Was unter all den Dingen ist das Größte?“ Bodhidharma erwiderte: „Die wahre Natur der Dinge ist das Größte.“

Hintergrund

Der Ehrwürdige Bodhidharma stammte aus einer Kriegerkaste und wurde ursprünglich Bodhitara genannt. Er war der dritte Sohn des Königs von Koshi in Südindien. Der König bezeugte dem Buddha-Dharma tiefe Verehrung. Einmal schenkte er Prajnatara einen kostbaren Juwel als Almosen. Der König hatte drei Söhne: Chandravimalatara, Punyatara und Bodhitara. Der Ehrwürdige Prajnatara wollte deren Weisheit prüfen. Er zeigte ihnen den Juwel, den er erhalten hatte, und fragte: „Kann man irgendetwas mit diesem Juwel vergleichen?“ Zwei der Söhne sagten: „Dieser Juwel ist das kostbarste unter den Sieben Schätzen, nichts kann ihn übertreffen. Wer außer Eurer Heiligkeit könnte ihn empfangen?“ Der dritte Sohn Bodhitara sagte jedoch: „Dies ist ein weltlicher Schatz, ganzsicher nicht der kostbarste. Ich halte den Schatz des Dharma für den kostbarsten. Dies ist ein weltliches Licht, ganz sicher nicht das wertvollste. Ich halte das Licht der Weisheit für das wertvollste. Dies ist eine weltliche Klarheit, ganz sicher nicht die größte. Ich halte die Klarheit des Geistes für die größte. Das strahlende Licht dieses Juwels kann sich nicht selbst erleuchten, sondern benötigt das Licht der Weisheit um erkannt zu werden. Wenn man es genau erkennt, weiß man auch, dass es ein Juwel und damit kostbar ist. Diese Kostbarkeit ist selbst aber nicht kostbar, wie auch der Juwel selbst kein Juwel ist. Der Juwel ist deshalb kein Juwel, weil es nötig ist, mithilfe des Juwels der Weisheit den weltlichen Juwel zu erkennen. Die Kostbarkeit ist nicht kostbar, weil es nötig ist, mithilfe des Weisheitsschatzes den Dharma- Schatz zu klären. Weil der Weg des Meisters den Weisheitsschatz beinhaltet, erkennt ihr nun diesen weltlichen Schatz. Wenn der Meister den Weg verwirklicht, manifestiert sich der Schatz ebenso, wie wenn Lebewesen den Weg verwirklichen.“
Als der Ehrwürdige Prajnatara dies hörte, wusste er ein Weiser geboren worden war. Er erkannte, das Bohitara sein Dharma Nachfolge würde, die Zeit dafür jedoch noch nicht gekommen war. Darum sagte er zunächst nichts und ließ Bodhitara bei den anderen verweilen. Schließlich frage er „Was unter all den Dingen ist das größte?“. Bodhitara erwiderte: „Die wahre Natur aller Dinge ist das größte.“ Auch wenn in diesem Austausch von Fragen und Antworten der Geist von Meister und Schüler verschmolzen, wartete Prajnatara noch das vollständige Reifen der Umstände ab.
Als später der König, Bodhitaras Vater, starb und das Volk trauerte, trat allein Bodhitara vor dessen Totenbahre in Samadhi ein. Nach sieben Tagen beendete er seine Versenkung und suchte Prajnatara auf, um Mönch werden zu können. Prajnatara wusste, dass sie Zeit für Bodhitara nun reif war, und gab ihm die Gebote. Danach saß Bodhitara hörte gut zu und erweckte die höchste Weisheit. Dann sagte Prajnatara: „Du hast nun vollständiges Wissen über alle Dinge erlangt. „Dharma“ heißt „tiefes Verständnis“, darum sollt du ab jetzt Dharma heißen“. So änderte Prajnatra den Namen Bodhitaras zu Bodhidharma.
Nach seiner Ordination und dem Empfangen der Lehre kniete Bodhidharma nieder und fragte: „Da ich nun den Dharma empfangen habe, wo soll ich Buddhas Werk verrichten?“ Prajnatara antwortete: „Du solltest zunächst noch siebenundsechzig Jahre nach meinen Tod in Südindien bleiben und dann nach China gehen, um diejenigen zu unterweisen, die eine tiefe Aufnahmebereitschaft für den Dharma haben.“ Bodhidharma fragte: „Werden sie dort in der Lage sein, große Gefäße für den Dharma zu werden? Und werden nach langer Zeit nicht Schwierigkeiten auftauchen?“ Prajnatara erwiderte: „Diejenigen, die dort Erweckung erfahren, werden unzählig sein. Ein paar kleine Probleme wird es zwar geben, aber die wirst du selbst in den Griff bekommen. Wenn du dort ankommst, bleibe nicht im Süden, denn dort schätzt man nur weltliches Werk und nicht die wahren Prinzipien der Buddhas.“ Dann sprach er die Versen:

„Über Straßen und den Ozean wirst du reisen
und einem Schaf begegnen.
Im Dunkeln wirst du heimlich allein einen Fluss überqueren.
Dort werden zwei Bedauernswerte ein Paar: Elefant und Pferd.
Zwei junge Zimtbäume werden auf ewig erblühen.“

Weiter sagte er: „Du wirst in deiner Mönchsgemeinde jemanden finden, der die Früchte des Weges erlangt“, und sprach noch einmal in Versen:

„Auch wenn China ein großes Land ist, gibt es keinen anderen Weg.
Deine Handlungen müssen sich auf deine Nachfahren stützen.
Ein goldener Fasan kann ein einziges Hirsekorn aufpicken
Und allen Arhats in den zehn Richtungen anbieten.“

So erhielt Bodhidharma das Siegel der Übertragung und diese Vorhersage, und er blieb zunächst vierzig Jahre lang an Prajnataras Seite. Nach dessen Tod lehrte ein Bruderschüler namens Bodhisena, der ebenfalls das Siegel von Prajnatara erhalten hatte, gemeinsam mit Bodhidharma. Ein weiterer Schüler namens Bodishanta hatte die Nachfolger in zwei Schulen gespalten, doch Bodhidharma konnte sie alle unterweisen und ihre Achtung gewinnen. Nach über sechzig Jahren hielt er die Bedingungen in China für günstig. Er sprach beim König, der nichtbuddhistische Ansichten hegte, mit den Worten vor: „Ich muss die Drei Schätze ehren und allen Menschen verkünden. Die Zeit ist reif, nach China zu gehen. Wenn meine Arbeit dort beendet ist, werde ich zurückkehren.“ Unter Tränen fragte der König: „Was ist an diesem Land so schlecht und an China so verheißungsvoll? Kehrt jedenfalls sofort zurück, sobald Euer Werk dort vollendet ist. Vergesst nicht das Land Eurer Eltern.“ Sie begaben sich gemeinsam zum Hafen, wo der König Bodhidharma persönlich verabschiedete. Der Ehrwürdige brauchte drei Jahre um den Ozean zu überqueren, und kam am einundzwanzigsten Tag des neunten Monats im Jahr 527 in China an. Als erstes hatte er eine Audienz beim Herrscher Wu der Liang-Dynastie. Darauf hatte sich einst Prajnatara mit seinen Worten „Bleib nicht im Süden“ bezogen. Darum begab sich Bodhidharma bald nach Norden ins Reich der Wei. Man sagt, es hätte ihn auf einem Schilfblatt im Yantze-Fluss dorthin getrieben. Die Leute denken gewöhnlich, dass es tatsächlich nur ein einziges Schilfblatt war, doch das ist ein Fehler. Bei den Blatt handelte es sich um ein kleines Boot, dass in seiner Form dem Schilf ähnelte. „Ein Schaf treffen“ verweist auf den Herrscher Wu im Reich der Liang, und „einen Fluss im Dunkeln überqueren“ auf den Yangtze. So kam er bald im Shaolin-Kloster auf dem Berg Song an und verweilte dort zunächst in der Östlichen Halle. Niemand wurde aus ihm schlau, da er den ganzen Tag übte. Sie nannten ihn den „Wand betrachtenden Brahmanen“. Neun Jahr lang sprach er weder ungestüm noch in einfachen Worten über den Dharma. Dann übertrug er seine Haut, sein Fleisch seine Knochen und sein Mark an Daofu, Daoyua, Zongchi und Huike, da sie reif genug dafür waren.
Zu dieser Zeit waren die beiden Nichtgläubigen Bodhiruci und der Vinaya-Meister Guandong sehr aufgebracht, weil das Verdienst des Ehrwürdigen sich im Land verbreitete und die Mensche sich respektvoll an ihn wandten. Sie warfen Steine nach ihm, schlugen ihm die Vorderzähne aus und versuchten fünf Mal, ihn zu vergiften. Beim sechsten Versuch legte Bodhidharma das Gift auf einen Felsen, der daraufhin zersplitterte. Er sagte sich: „Die Bedingungen für meine Lehre sind ungünstig. Ich habe das Siegle und die Vorhersage von meinen Lehrer erhalten und zunächst günstige Umstände und eine große Aufnahmebereitschaft für die Lehre des Mahayana in China entdeckt. Doch durch mein Treffen mit Herrscher Wu aus Liang erfüllte sich diese Hoffnung ebenso wenig wie mit anderen. Während ich allein in Untätigkeit saß traf ich auf den Großen Huike und übertrug ihm den Weg, den ich erlangt hatte. Meine Arbeit ist also beendet und ich sollte gehen.“ Er wurde am Bärenohr-Gipfel begraben. Auch wenn es heißt, er habe später noch einen Mann namens Songyun im Zwiebel-Gebirge getroffen, wurde er in Wahrheit auf den Bährenohren Gipfel begraben.

Teisho von Keizan Zenji

Zweifellos war Bodhidharma gemäß der Vorhersage des siebenundzwanzigsten Patriarchen der erste Patriach in China. Als Bodhidharma ein Prinz war, fragte der erwürdige Prajnatara, nachdem er die Bedeutung des Juwels erklärt hatte: „Was unter all den Dingen ist formlos?“ Der Erwürdige antwortete: „Nicht-Entstehen ist formlos.“ Jener Bereich kann wie eine steile Klippe gesehen werden, die in den Himmel ragt, oder als etwas, das die Unterschiede in vielen Dingen hell erleuchtet. Ihr könnt alle Dinge für nichts als das halten: unwandelbar verweilend in ihrem eigenen Zustand. Doch ist das kein Nicht-Entstehen, und darum sind sie nicht formlos. Wie könnt ihr noch vor der Trennung in Himmel und Erde das Heilige und das Gewöhnliche unterscheiden? In diesem Bereich kann kein einziges Ding erscheinen und kein einziges Staubkorn beschmutzen und doch ist es nicht so, dass da ursprünglich nichts wäre. Er ist weit und klar wie der Himmel, wach und unberührt, unvergleichbar und alleinstehend. Darum ist er das Allergrößte. Und deshalb heißt es, dass man sich das Größte nicht vorstellen könne, und das Unvorstellbare wird Dharma-Natur genannt. Nicht einmal der kostbarste Juwel kann damit vergleichen werden, nicht einmal das klare licht des Geistes ähnelt ihm. Bodhidharma sagte: „Dies ist ein weltliches Licht, ganz sicher nicht das wertvollste. Ich halte das Licht der Weisheit für das wertvollste.“ So verstand er es aufgrund seiner natürlichen Weisheit, und doch übte er nochmals sieben Tage Zazen und hörte sich an, was sein Lehrer über die wundervollen Prinzipien der Meditation zu sagen hatte, woraufhin er schließlich die unübertroffene Weisheit des Weges erweckte.
Das Beispiel Bodhidharmas zeigt, dass man in diesem Bereich infolge genauer Einsicht das erlangen und klären kann, was die Buddhas und Patriarchen verwirklichten. So wird man zu deren Nachfolger. Obwohl Bodhidharma natürliche Weisheit besaß, erweckte er noch die höchste Weisheit des Weges. Später beschützte er sorgsam den Dharma, diente seinem Lehrer und studierte den Dharma vierzig Jahre lang genaustens, verbrachte dann sechzig Jahre, ohne die Vorhersage seines Meisters zu vergessen, und überquerte schließlich in drei Jahren den Ozean. Nachdem er neuen Jahre in einem ihm unbekannten Land in stille Meditation verbracht hatte, erkannte er es als großes Gefäß für die wahre Lehre zahlte seinem Meister die Dankesschuld, indem er den Dharma dort verbreitete. Seine Mühsal und seine Entbehrungen waren größer als die von irgendwem sonst.
Die Schüler von heute wollen einen einfachen Weg gehen, obwohl wir in einer Zeit des Verfalls leben und die Fähigkeiten der Menschen nur beschränkt sind. Menschen wie sie, die fälschlich behaupten, verstanden zu haben, sind eitle Gesellen, die sich besser vom Zen-Studium verabschieden sollten.
Wenn ihr die obige Geschichte tief durchdringt, werdet ihr mehr und mehr erkennen, wie erhaben sie ist. Zerschmettert euren Geist und werft euren Körper ab, dann wir euch fas unmerklich die Hilfe aller Buddhas zukommen und ihr werdet mit ihnen teilen, was sie verwirklicht haben. Glaubt aber nicht, dass es mit ein bisschen Weisheit jeder Halbwissen getan ist.

Vers

Es gibt kein Ort, keine Grenzen, kein außerhalb – wie könnte da auch nur der Flaum des Herbstes existieren?

Quelle: Denkoroku. Die Weitergabe des Lichtes / Keizan Jokin. Frankfurt, Angkor Verlag, 2008

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