ACHT

SONY DSC

Die dunklen Wolken
unter dem blauen Himmel.
Kommen und gehen.

Meister Baso Do-Itsu aus Kozei im Ko-Distrikt diente als Meister Nangaku Ejos Jisha (persönlicher Sekretär) und empfing im Geheimen Gautama Buddhas Geist-Siegel. Er lebt ständig im Denpo-Tempel, saß in Zazen und war der herausragendste unter Meister Nangakus Schülern. Meister Nangaku wusste, dass Meister Baso eine außergewöhnliche Fähigkeit zum Studieren des Buddha – Weges hatte.

Meister Nangaku ging zu Meister Baso und fragte ihn:
– Nun, guter Mönch, was ist deine Absicht beim Üben von Zazen?

Baso Do-Itsu antwortete:
– Ich möchte ein Buddha werden.

Nangaku Ejo hob einen Ziegel auf und fing an, ihn auf einen Stein vor Meister Basos Hütte zu polieren.

Baso Do-Itsu fragte:
– Was tust du da?
Nangaku Ejo erwiderte:
– Ich poliere diesen Ziegel, um einen Spiegel daraus zu machen.
Baso Do-Itsu sagte:
– Wie kann der Meister durch das Polieren des Ziegels einen Spiegel daraus machen?
Nangaku Ejo sagte:
– Wie kann das Sitzen in Zazen aus dir einen Buddha machen?
Baso Do-Itsu fragte:
– Was ist denn hier und jetzt richtig?
Nangaku Ejo sagte:
– Wenn ein Mann einen Wagen fährt und dieser sich nicht vorwärts bewegt, ist es dann richtig, den Wagen zu schlagen oder den Ochsen?
Baso Do-Itsu wusste keine Antwort.
Nangaku Ejo lehrte weiter:
– Wenn du Zazen studierst, dann lernt du, wie ein Buddha zu sitzen. Wenn du Zazen erlernst, ist Zen nicht wie das Sitzen oder Liegen. Wenn du wie ein Buddha sitzt, hat Buddha keine bestimmte Form. Also solltest du eine solche Methode nicht aufgreifen. Denn wenn du wie ein Buddha sitzt, bedeutet das, dass du (das Konzept von) Buddha getötet hast. Haftest du an der Form des Sitzens, hast du das Prinzip (dieses Sitzens) nicht erfasst.

Als Baso die Lehre des Meisters gehört hatte, fühlte er sich so, als habe er süßen Nektar getrunken.

Kommentare:

Gewöhnlich wird dieses Koan so interpretiert, als könne man kein Buddha werden, wenn man nur Zazen praktiziert. Doch Meister Dogens Deutung geht in eine ganz andere Richtung: Es ist die Vorstellung des absichtlichen Werdens, die er kritisiert. Wenn ein Mensch in Zazen sitzt, ist er bereits ein Buddha und kann nicht noch mal ein Buddha werden. Und das Polieren bedeutet nicht, einen Spiegel herzustellen. Es ist nur der Akt des Polierens – das Tun eines Buddha.
Was bedeutet nun die Aussage, man sei ein Buddha, wenn man in Zazen sitzt? Beim Sitzen in Zazen schauen wir der Wirklichkeit direkt ins Auge, stellen uns den Gedanken, Gefühlen und den Unannehmlichkeiten (sowohl physisch als auch geistig). Wir sehen auch, dass die Wirklichkeit erheblich mehr ist als bloße Gedanken oder nur der Körper.
Eies wahrzunehmen ist schwierig, besonders für Anfänger. Wenn wir sitzen, verspüren sie gewöhnlich Schmerz und Langeweile, also etwas, das weit entfernt ist von ihrem idealistisch gefärbten Bild von Erleuchtung oder Buddhaschaft. Doch Schmerz und Langeweile sind für sie etwas Wirkliches.
Gewöhnlich tun wir alles Erdenkliche, um vor diesem Aspekt der Wirklichkeit wegzulaufen oder ihn zu verdecken. Doch in Zazen konfrontieren wir uns unmittelbar damit. Hier kann man ihm nicht entfliehen, er muss durchlebt und erfahren werden. Wirklichkeit besteht aber nicht allein aus Schmerz und Langeweile, sondern hat manch andere und viel tiefere Aspekte. Auch ihnen begegnen wir in Zazen, stellen uns ihnen – und das, sobald sie natürlich und von selbst auftauchen.
Unsere Vorstellungen von Erleuchtung können die Dinge nicht beschleunigen, denn das unterscheidende Denken ist nichts anderes als eine dünne Oberflächenschicht über dem viel tieferen Ozean der Geist/Körper Wirklichkeit.
Meister Baso stellte dann die Frage, was er tun solle, und Meister Nangaku zog den Vergleich mit einem Ochsenkarren heran. Wenn der Ochse etwas störrisch ist, können wir ihn schlagen und dazu bringen vorwärts zu gehen. Ist jedoch das Wagenrad zerbrochen, können wir den Ochsen schlagen so viel wir wollen, und kommen dennoch kein bisschen voran. Wir sollten die wirkliche Situation berücksichtigen, anstatt unsere vorgefassten Meinungen auf die Lage zu projizieren.
Der Ochse symbolisiert den Geist oder die Geistesfaktoren, der Wagen entspricht dem Körper oder den materiellen Faktoren. Ein Idealist denkt nur daran, den Ochsen zu schlagen, und ignoriert den Wagen. Wahrscheinlich so lange, bis eines Tages eines der Räder abfällt und er in den Schlamm gekippt wird. Der Materialist hingegen denkt nur an den Wagen und wünscht sich wahrscheinlich, dass dieser gepflegt und schnell aussieht, oder er würde ihn gern mit Gold und kostbaren Juwelen schmücken. Den Ochsen lässt er unterdessen verhungern, und der schöne Wagen ist dann nicht mehr zu bewegen.
Zazen ist eine Praxis mit dem Körper/Geist – dem gesamten Dasein. Auf dem Buddha-Weg kümmern wir uns um beides: um den Ochsen und um den Wagen. Meister Nangaku ging dann dazu über, den Unterschied zwischen Zazen und dem Alltagsverhalten zu erläutern. Zazen zu studieren bedeute, zu lernen, dass man in Zazen ein Buddha ist. Beharrlich betonte er, Zazen sei etwas anderes als das Alltagsverhalten wie etwa das Sitzen oder das Liegen. Worin besteht nur dieser Unterschied? Im gewöhnlichen Leben sind wir normalerweise stark von Gedanken eingenommen und haben infolgedessen Schwierigkeiten damit, die Wirklichkeit zu erkennen. In Zazen jedoch durchneiden wir die Wolke der Gedanken, die für Dunkelheit sorgt.
Andererseits ist Zazen auch etwas anderes als unsere übliche entspannte Verfassung, insofern, als wir hierbei ein gewisses Maß an physischer Spannung und geistiger Wachheit aufrechterhalten. Meister Nangaku bestand auf diesem Unterschied zwischen Zazen und dem üblichen Leben, weil es einige Schüler des Buddha-Weges gab und noch gibt, die behaupten, das Alltagsverhalten unterscheide sich gar nicht von Zazen. Und es ist wahr, dass sich diese beiden Dinge insofern gleichen, als dass das eine wie das andere Teil der Wirklichkeit ist. Doch ist es im gewöhnlichen Leben sehr schwierig und für die meisten Menschen sogar unmöglich die Wirklichkeit klar wahrzunehmen.
In Zazen sitzen wir in der Wirklichkeit und erfahren sie direkt, wie es sonst nur selten geschieht. Diese Erfahrung verwandelt altmählich unser tägliches Leben. Wenn wir in Zazen sitzen, sind wir Buddhas. Ein Buddha in Zazen hat keine festgelegte Form. Er kann groß und blond, klein und rundlich, ein Athlet, eine alte Frau oder ein Teenager sein. Darüber hinaus hat ein Buddha in Zazen eine Vielzahl innerer Verfassungen: Er ist friedlich, ruhig, abgelenkt, gelangweilt, froh und so weiter.
Es gibt keinen Zustand, auf den wir verweisen und sagen könnten: „Dies ist es, wonach du suchst. Wenn du diesen Zustand erreicht hast, dann hast du die Buddhaschaft erlangt“. Solche Vorgefassten Meinungen sind bloße Bilder in unseren Kopf. Für einen Buddha gibt es keine begrenzte Form. Jede Person, die in Zazen sitzt, hat ihre eigene Form. Also können wir sagen, dass Zazen mit unendlich vielen Formen des Buddha geschmückt ist.
Im unmittelbaren Aufleuchten der Wirklichkeit gibt es weder Gut noch Schlecht. Da sind weder Buddhas noch keine Buddhas. Tatsächlich kann in der Praxis von Zazen kein „Buddha“ aufgefunden werden. Unsere Konzepte von Buddha werden zurückgelassen und wir sind frei, unmittelbar in der Wirklichkeit zu sitzen. Wir sind frei, Buddha zu sein.
Wenn wir an der physischen Form des Sitzens haften, indem wir uns zum Beispiel auf den Atem konzentrieren oder ein beständiges physisches Gewahrsein befördern, haben wir nicht verstanden, dass Zazen das Sitzen in der Einheit von Körper und Geist bedeutet, einen Zustand ohne eine betonte Ausrichtung, sei sie geistig oder auch physisch.

Hinterlasse einen Kommentar