
Hinter dem Tempel,
Ein jünger Ahorn im Herbst.
Rot, grün, Gold und Braun.
Der Herbst ist da. Schweigsam fallen wieder die Blätter. Die Ordnung des Sommers ist erneut durcheinander gebracht, denn obwohl noch Jugend in vielen der Blättern der Bäume steckt, liegt auch gleichzeitig Abschied in der Luft. Wehmut ist fast greifbar nah. Zerfallende Schönheit. Die Abende werden nun kälter und kürzer. So kurz fast wie ein ganzes menschliches Leben. So kalt wie eine ganze Ewigkeit.
Manche sagen, dass Alles was im Frühling geboren wird, im Herbst ein Ende hat. Wie die Blätter, wie die Blumen. Doch sie vergessen, dass obwohl die Blätter vergehen, die Bäume mit Ihren Ästen bleiben. In Einsamkeit, in Stille. Eine Stille, die aber nicht stumm ist, im Gegenteil sogar, denn mit jedem gefallenen Blatt ist es als würde sie sagen: im Herbst, wenn die gesamte Natur sich nach Innen beginnt zurückzuziehen bis nichts weiter bleibt als die nackte Einsamkeit, ist das Schweigen Silber und das Sprechen Gold. Ja, es mag zwar dualistisch klingen aber tatsächlich, in der Stille des Herbstes wird klar und deutlich, dass eine nackte Wahrheit tausend Mal besser ist als die feige Schuld. Eine Wahrheit nämlich, wenn sie tatsächlich wahrhaftig ist, ist sie von jedem Zweifel erhaben, ist unmissverständlich, klar, direkt und deutlich. Sich als Freund zu geben aber es im Grunde anders meinen? Sich dabei hinter dem Schild einer Lüge zu tarnen?. Dabei sagen manche, dass es Nichts schutzloseres gäbe als ein vom Wind verwehtes Blatt. Ähnlich einem Kind ohne Familie. Doch sie irren. Schutzloser ist es komplett nichtwissend dem Gesetz von Ursache und Wirkung ausgeliefert zu sein, denn die Rückschläge können dann von überall herkommen: aus der Vergangenheit, aus der Zukunft oder gar unmittelbar. So kann der Herbst für manche sogar fast ermahnend wirken. Andere wiederum behaupten diese Haltung sei eher naiv, denn im Grunde komme es doch nur auf das Gewinnen an. Doch auch sie irren. Und sie gehen unweigerlich Fehl, weil sie im Herbst nur das Vergehen sehen und missachten, dass nach dem Herbst der Winter kommt und nach dem Winter es wieder Frühling wird.
Der Herbst verkörpert wie keine andere Jahreszeit die Vergänglichkeit sagen manche dann. Doch sagen Sie das, weil sie in der Vergänglichkeit nur Verlust erkennen, nicht eine Möglichkeit. Die allgegenwärtige Gelegenheit uns jenen unheilsamen Verhaltensweisen bewusst zu werden, die uns daran hindern wahrheitsgetreu zu leben und damit wahrhaftig frei zu sein. Mit anderen Worten gesagt, wozu ist die Redefreiheit noch gut, wenn es keine Denkfreiheit gibt? Denkfreiheit nicht als das zu denken, was einem gerade in den Sinn kommt gemeint, sondern als ein Denken, dass der Erkenntnis zugrunde liegt, dass das was wir im Äußeren wahrnehmen von unserer inneren Befindlichkeit abhängt? Ja, die Ignoranz ist also tief verwurzelt in uns und viele gedankliche Verhaltensmuster und Ihre Bedeutung sind uns noch völlig unbewusst. Wie der Versuch unserem Nächsten unsere Meinung aufzubürden. Andererseits aber hängt die Befreiung von diesen mentalen Vorgängen nicht vom Alter, nicht vom Geschlecht, nicht von einer ethnischen Zugehörigkeit oder sonstiger Äußeren Bedingung ab. Vielmehr ist sie jedem und jeder zugänglich. Es bedarf lediglich zu lernen mit der eigenen Gedankenwelt umzugehen: aus dem an Nichts anhaften und Nichts abweisen, eine innere Einstellung zu machen. Wie ein Blatt sich dem Fallen, dem Herbst und dem Wind hingeben, ohne über eine angeblich bessere Vergangenheit zu klagen, ohne Angst vor der Zukunft im Sinn.
Wenn die Innenwelt und die äußere Welt im Einklang sind und wieder Herbst ist, wenn die Blätter schweigsam fallen, dann ist es, weil wir selbst in Frieden sind. Dann ist die durch den Herbst herbeigebrachte Unordnung des Sommers völlig in Ordnung und widerspruchsfrei. Das Abschiednehmen verursacht keine Wehmut mehr, denn dann ist es eine natürliche Eigenschaft der Schönheit zu zerfallen. Die Abende des Herbstes sind dann weder kalt noch kurz, sondern lediglich so wie sie sind. So lang wie ein ganzes menschliches Leben. So warm wie eine ganze Ewigkeit.
